Vorbereitung
Wenn man in Norwegen sein Auslandssemester verbringen möchte, sollte man das früh genug wissen. Denn die Semester starten im hohen Norden gewöhnlich um einiges eher als bei uns in Deutschland. Dementsprechend verschieben sich auch die Bewerbungsfristen nach vorne. So musste ich gerade aus den Wintersemesterferien wieder in Kiel angekommen schon meine Bewerbungsmappe abgeben.
Wenn alles gut gelaufen ist, und eine positive Rückmeldung aus Bergen kommt, sollte man sich schleunigst überlegen wie man überhaupt nach Bergen kommt.
Flüge nach Norwegen sind meistens sehr teuer, deswegen ist es ratsam früh zu buchen. Wer den Rückflug gleich mit buchen will, kann sich getrost an das angegebene Datum des Semesterendes halten. In Ausnahmefällen ist auch eine frühere Abreise möglich.
Ich habe mich allerdings mit dem Auto auf den Weg nach Bergen gemacht. Dies bietet sich gerade wegen vielen freien Wochenenden an um Wandertouren zu machen. Leider ist diese Art der Fortbewegung in Norwegen sehr teuer. Die großen Straßen sind grundsätzlich Mautstraßen und auch um in die Städte zu gelangen, muss man bis zu 3 oder sogar 4 Mautstationen passieren. Münzzahlung ist nicht möglich, man kann sich aber online mit seiner Kreditkarte und Kennzeichen registrieren lassen. Zusätzlich zu diesen Kosten sollte man auf hohe Spritpreise gefasst sein (ein Liter Diesel ca. 2 €). Norwegen ist leider ein sehr teures Land. Zu guter letzt sollte man sich vorher darüber im Klaren sein zu welcher Jahreszeit man nach Bergen fährt. Das Wintersemester startete bei mir zwar recht grün, wurde dann aber ziemlich schnell sehr düster und kalt.
Ganz wichtig ist auch noch das Visum bzw. die Aufenthaltserlaubnis. Jeder, der länger als zwei Monate in Norwegen lebt, muss sich bei der Polizei melden. Online kann man sich nach Angabe seiner Daten einen Termin aussuchen. Der nächstmögliche Termin ist aber meist erst in drei bis vier Wochen. So ist es also besser, sich möglichst früh zu registrieren, als die zwei Monate verstreichen zulassen.
Wohnen
Die meisten Erasmusstudenten werden im Studentenwohnheim „Fantoft“ untergebracht, welches sich ca. 6 km südlich des Stadtzentrums befindet. Das Studentenwohnheim ist ein 60er-Jahre-Bau, der von außen schlimmer aussieht als von innen. Man sollte sich aber nicht abschrecken lassen, ihr werdet dort eine tolle Zeit haben. Weitere Infos zum Studentenwohnheim könnt ihr auch in den anderen Erfahrungsberichten finden. Über das Freizeitangebot wird bei der Einführungsveranstaltung im Studentenwohnheim informiert. Als großen Nachteil in Fantoft habe ich empfunden, dass dort fast keine Norweger, sondern fast nur andere Austauschstudenten, darunter besonders viele Deutsche leben. Für diejenigen, die ein ganzes Jahr in Bergen verbringen, kann es eine Option sein, das erste Semester in Fantoft zu wohnen und im 2. Semester sich eine private Unterkunft in der Stadt zu suchen. Ansonsten ist das Studentenwohnheim eine prima Möglichkeit, andere internationale Studenten kennen zu lernen. In Fantoft muss niemand allein sein, es findet sich immer eine „kitchen-party“, der man sich anschließen kann. Außerdem hat Fantoft schon eine Art Kultstatus. Ein Freund aus Deutschland meinte, es erinnert ihn an eine Art großes Ferienlager.
Uni und Studium
Die Kunsthochschule in Bergen ist der Muthesius eigentlich gar nicht so unähnlich. Die Studentenanzahl liegt zwar noch ein wenig unter der der Mu, aber die familiäre Atmosphäre ist ziemlich gleich.
Wie in Kiel hat die KHiB ein großes Problem und das heißt: Platz! Die Uni ist über fünf Gebäude in der Stadt verteilt. Bergen ist zwar nicht sehr groß, sodass man alle Gebäude fußläufig erreichen kann, aber ein bisschen nervig ist es schon. Um alle Fachbereiche wieder zusammen zu bringen, wird gerade ein neuer Campus gebaut. Aber auch hier verschiebt sich das Eröffnungsdatum von Jahr zu Jahr nach hinten. Im Moment steht es glaube ich bei Sommer 2016.
Im Gegensatz zur Muthesius hält das Platzproblem die Kunsthochschule in Bergen nicht davon ab, für jedes Semester einen Arbeitsraum mit genügend Arbeitsplätzen zur Verfügung zu stellen. Auch für Erasmusstudenten findet sich hier eine Möglichkeit, die anderen Studenten näher kennen zu lernen. Das gestaltet sich jedoch leider äußerst schwierig. Norweger sind recht schüchtern und gehen nicht von sich aus auf Fremde zu. Es ist einfacher mit ihnen in Kontakt zu treten, wenn man ein wenig Norwegisch spricht, aber selbst dann ist es alles andere als leicht.
Die Unterrichtssprache ist im BA 1-2 Norwegisch im BA 3 aber auch durchaus Englisch (wenn gewünscht). In den Semestern davor heißt es also für all diejenigen, die kein Norwegisch können (so wie ich), lächeln und winken und natürlich am Schluss nachfragen was Sache ist.
Das Studium an sich ist allerdings komplett anders als an der Muthesius. In Norwegen achtet man eher auf den Prozess, als auf das Ergebnis. Den Dozenten und Professoren ist es wichtig, dass du in einem Kurs etwas lernst in dem du viele verschiedene Dinge ausprobierst ohne den Druck zu haben, ein perfektes Ergebnis zu präsentieren. Das macht die ganze Arbeitsatmosphäre natürlich wesentlich entspannter und angenehmer. Man sollte es sich aber auch nicht zu leicht machen. Anstatt unserer vielen Endpräsentationen, gibt es in Norwegen nur eine und die hat es in sich. Jeder Student muss eine Art Portfolio erstellen. Enthalten darin sind alle Arbeiten des Semesters und ein Semesterbericht, der um die 2000 Wörter enthalten muss. Die Erasmusstudenten dürfen aber natürlich auf Englisch schreiben. Es ist den Dozenten besonders wichtig, auch Bilder aus dem Prozess im visuellen Teil des Portfolios zu sehen und im Schriftlichen etwas darüber zu erfahren, was ihr in den einzelnen Kursen gelernt habt, was ihr hättet besser machen können usw. Nach Abgabe findet noch ein ca. 30-minütiges Kolloquium mit den jeweiligen Tutoren statt, in dem selbstverständlich alles noch einmal besprochen wird.
Freizeit
Neben der Uni hat man genügend Freizeit, wenn man nicht zu viele Kurse gewählt hat. Die tolle Landschaft lädt dazu ein, Bergwanderungen zu unternehmen oder Fischen zu gehen. Auch sollte man unbedingt im Land umher reisen und sich die tollen Naturerlebnisse und gemütlichen norwegischen Städte nicht entgehen lassen. Das Studentenwerk bietet für ca. 100 € je Semester einen Sportpass an, mit welchem man sämtliche Sporteinrichtungen des Studentenwerks nutzen kann. Dazu zählen Schwimmhalle, mehrere Kraft- und Fitnessräume, verschiedene Sporthallen, Sauna und Dampfbad.
Fazit
Das Semester in Norwegen hat mir wirklich sehr viel gebracht. Ich habe viele neue Leute kennengelernt, von denen aber leider nicht einmal die Hälfte Norweger waren.
Gerade die andere Einstellung der Uni war mir im fünften Semester KoDe doch sehr willkommen. Ich konnte mich endlich wieder auf meine Arbeit konzentrieren und mit sehr viel Spaß frei rumexperimentieren. Das Leben im hohen Norden hält natürlich auch einige Besonderheiten bereit, die ich allerdings für ein halbes Jahr gut ertragen konnte. Wer im Wintersemester allerdings einen trockenen Studienort mit mehr als fünf Stunden Tageslicht vorzieht, ist in Bergen definitiv falsch.
Außerdem ist es natürlich Geschmacksache ob man lieber 6 € für eine TK Pizza oder 12 € für ein MC Donalds Menü ausgeben will, oder doch eher auf Spagetti mit Tomatensoße zurückgreift.
Alles in allem kann ich also Sagen, dass ich sehr zufrieden war mit meinem Semester in Norwegen aber, dass mir die vier Monate auch wirklich gereicht haben.
Britta Sennewald – BA Kommunikationsdesign