LISA HOFFMANN AUS DER MEDIENKLASSE VERBRACHTE DAS WISE 2012 AN DER KONINKLIJKE ACADEMIE VAN BEELDENDE KUNSTEN IN DEN HAAG
Gegen Ende meines Studiums entschied ich mich die übriggebliebene Zeit zu nutzen und ins Ausland zu gehen. Die ursprüngliche Idee dabei war, in ein Land im ehemaligen Jugoslawien zu gehen, um dort an dem zweiten Teil meines Filmes weiterzuarbeiten. Die Suche nach einer Kunsthochschule mit entsprechender Medienklasse erwies sich jedoch recht schwierig. Letztlich entschied ich mich, mich in Split, Kroatien zu bewerben. Parallel dazu beworb ich mich zudem in Den Haag, da ich über einen längeren Aufenthalt in den Niederlanden immer schon nachgedacht hatte.
Aus Den Haag erhielt ich relativ schnell eine positive Rückmeldung, während ich jedoch aus Split zunächst gar nichts hörte. Nach vielen ruhelosen Nächten und intensiven Überlegungen entschied ich mich, nach Den Haag zu gehen. Da das Semester dort bereits Ende August losging und somit nur bis Ende Dezember gehen sollte, schloss das für mich mit ein, dass ich nach dem Semester in Den Haag die freie Zeit bis zu Beginn des nächsten Semesters in Kiel dazu nutzen könnte, um eigenständig nach Kroatien und in andere Länder des ehemaligen Jugoslawiens zu reisen, um dort an dem Projekt zu arbeiten. Des weiteren schien mir auch die Akademie an sich höchst interessant und kompetent und für mich und meinen weiteren künstlerischen Werdegang inspirierend und fördernd.
Die Planung wurde dann etwas stressig, da das Semester dort nahezu an das Semester in Deutschland anschloss. Neben Auszug aus der eigenen Wohnung, Kisten packen und einlagern musste ich zudem mein Atelier ausräumen und einlagern, da an der Muthesius neben der Jahresausstellung auch ein Umzug der ganzen Kunsthochschule anstand.
Währenddessen versuchte ich in Den Haag eine einigermaßen bezahlbare Unterkunft zu finden. In den Niederlanden gibt es ebenso wie in Deutschland Internetseiten mit WG- und Wohnungsangeboten. Allerdings muss man sich dort kostenpflichtig registrieren, um auf Angebote antworten zu können oder auch eigene Anfragen einzustellen. Ich persönliche hatte das Glück in den ersten Tagen in einem ´Wohnprojekt` unterzukommen und darauf dann für einen kurzen Zeitraum bei einem dort kennengelernten Bekannten. Aus dem kurzen Zeitraum wurde letztendlich dann mein ganzer Aufenthalt und aus dem Bekannten ein sehr guter Freund. Blick aus In Den Haag selber hatte ich das Glück durch die Leute der Kraak-Bewegung nicht nur schnell aufgenommen zu werden in den Alltag, sondern auch direkt am ersten Tag ein Fahrrad zu bekommen.
In Den Haag oder in den Niederlanden im Allgemeinen ist dies einfach das wichtigste und beste Verkehrsmittel. Da ich selber von der holländischen Grenze komme und auch sonst mich hauptsächlich via Rad oder auch Fiets genannt bewege, war ich sehr froh, direkt ein altes klappriges Herrenrad zu bekommen. Von allen nur vor diesem Rad gewarnt, entwickelte es sich zu meinem absoluten Lieblingsrad, das ich je besessen habe. Und nachdem ich die gröbsten Macken repariert hatte, ließ sich damit auch wunderbar fahren. Allerdings war es auch tatsächlich nur für das platte Holland ausgelegt. Sobald ein kleine Anhöhe kam (was nur beim Überqueren von Dünen vorkam) rutsche die Kette übers Kettenrad und ich fiel schön auf die Stange. In diesem Momenten verfluchte ich dann mein liebgewonnenes Fiets) Aber so ist das halt in Holland, die Hass-Liebe, die dort ein jeder zu seinem Fahrrad hat! Da ich an einem Donnerstagabend ankam und die Akademie erst am Montagmorgen losging, nutzte ich die ersten Tage unter anderem dazu, die Stadt und vor allem den Weg beziehungsweise die Wege zum Meer kennenzulernen. Für mich persönlich ist es die schönste Art eine neue Umgebung kennenzulernen, in dem man sich ein Ziel raus sucht, grob auf der Karte guckt wo es langgeht und dann einfach drauf los fährt. Genauso tat ich es viele Male und unter anderem auch an diesem ersten regnerisch-stürmischen Sonntag, wo ich unbedingt an die Nordsee wollte.
-Ich sollte dazu vielleicht sagen, dass ich ein absoluter Meerfan bin. Wenn ich länger als eine, maximal zwei Wochen nicht das Meer sehe, fange ich an mich krank zu fühlen (deswegen war auch klar, dass beide Auslandsorte definitiv am Meer liegen mussten).
Nach dem ich einige lange Zeit quer durch Den Haag gefietst war, schien es mir, endlich angekommen zu sein. Vor mir fingen die Dünen an. Voller Eifer fuhr ich mit meinem Rad in die Dünen-Wald-Landschaft, kämpfte und fluchte mit meinem Rad bei ansteigenden (!) Sandwegen um dann die Entdeckung zu machen, dass dahinter erneut Häuser waren. Es handelte sich nicht um die Dünen vor der Küstenlinie, sondern um Bosjes van Poot. Aber dann endlich kam ich doch noch ans Meer, setzte mich in den Strand und atmete tief ein und aus.
Das Studium an sich war sehr interessant. Anfänglich dachte ich, dass sich die Struktur dort der Struktur an der Muthesius Kunsthochschule ähnle. Im Laufe der Zeit stellten sich aber doch sehr viele Unterschiede fest.
Trotz Vorbereitungstagen zusammen mit den Erstsemestern – inklusive Workshops, Galerieführung, gemeinsamen Essens – wurde es dann doch ein wenig chaotisch bei der Aufteilung in die verschiedenen Klassen – Autonoom, Painting, 3D and Printing. Zumal ich ein wenig verwirrt war, da ich an der KABK wieder im 5. Semester war anstatt wie an meiner Hochschule im 7. Letztlich waren dies alles aber keine wirklichen Probleme. Da ich direkt den Kontakt zu meinen Mitstudenten suchte und nachfragte, wurde mir vieles erklärt. Dies war bei anderen Erasmus Studenten anders, die mehr mit den anderen Erasmus Studenten zusammen waren und nicht den Kontakt zu den „heimatlichen“ Studenten suchten. Aber da ich in die Niederlande gekommen war, um die Niederländer kennen zu lernen – was in einer internationalen Stadt wie Den Haag natürlich immer ein Mix ist – wollte ich auch am dortigen Leben teilnehmen. Außerdem wollte ich dort an meinen Projekten arbeiten, beziehungsweise neue Ideen umsetzen. Und dafür brauchte es einen Arbeitsplatz.
Das Thema Arbeitsplatz war dann auch einer der negativen Punkte am Studium. Dies lag aber nicht direkt an der Hochschule, sondern eher an einer Überlegung meiner Klasse, in diesem Semester anstatt von einzelnen Arbeitsplätzen einen großen gemeinsamen Tisch für alle zu haben. In der Praxis ging dies leider schief, sodass letztendlich für mich und den Großteil der Klasse kein Arbeitsplatz zur Verfügung stand. Auch gab es nicht wie an meiner Hochschule einen Projektraum, den man sich für eine Woche anmieten konnte. Dafür konnte man sich aber andere Räume für ein paar Stunden mieten oder den Innenhof und jeglichen anderen Ort temporär nutzen. Dies war auch nötig, da es im Rahmen des Studiums die Möglichkeit der Präsentation gab. So fanden jeweils Montag und Dienstags Präsentation von verschieden Studenten und deren Arbeiten statt. Dies war ein Aspekt den ich sehr gut fand. Bei diesen Präsentationen waren immer mindestens einer, meist jedoch mehrere Professoren, sowie Studenten des zweiten, dritten und vierten Jahres dabei und diskutierten über die Arbeit. Dies gab einem selber auf der einen Seite eine gute Rückmeldung zur Arbeit und zum aktuellen Standpunkt und auf der anderen förderte es die Diskussion über
künstlerische Arbeiten und erweiterte den eigenen „künstlerischen Horizont“.
Ein weitere sehr positiver Punkt war die Anzahl der Professoren. Meine Klasse hatte vier Professoren, sodass rein theoretisch die Möglichkeit bestand, vier Arbeitsgespräche wöchentlich zu haben! Auch die verschiedenen Meinungen halfen mir sehr bei meinem eigenen Vorgehen. Dies war vollkommen neu für mich, da ich es von meiner Hochschule gewöhnt war, dass es nur einen Professor gibt und man mit diesem auch maximal einmal im Monat ein persönliches Arbeitsgespräch hat.
Insgesamt habe ich die Beziehung an der KABK zwischen Student und Lehrer als sehr viel intensiver und persönlicher wahrgenommen. Neben der Praxis auch in der Theorie, wo viel diskutierte wurde und persönliche Interessen mit einfließen konnten. Dies war der wohl wichtigste und beste Punkt am Studium und dem ganzen Aufenthalt in den Niederlanden. Die persönlichen Beziehungen dort kommen mir ehrlicher, intensiver und herzlicher vor. Was natürlich auch nicht so schwer ist, wenn man sonst nur die nordische Kühlheit gewohnt ist).
Negativ dagegen habe ich an der KABK die Planung und Organisation wahrgenommen. Es dauerte einige Anläufe und Verabredungen bis klar wurde, dass es kein Vorlesungsverzeichnis gab. Auch kam es vor, dass man mal zwei Stunden auf einen Schlüssel wartete oder einem erst nach der 5. Woche (von 8.Wochen) gesagt wurde, dass man doch nicht am Kurs teilnehmen müsse, da man das ja an der Heimathochschule schon gemacht habe und beherrsche. Um dann in der nächsten Woche eine Mail zu erhalten, dass das Programm geändert wurde und man nun doch wieder mitmachen solle. Da musste man manchmal schnell und spontan reagieren können. Aber ich glaube, dass dies ein grundsätzliches Problem an nahezu allen freieren Kunsthochschulen ist. Kreativität und Chaos gehören wohl doch irgendwie zusammen. Insgesamt habe ich das Leben und die Zeit in Den Haag sehr genossen. Und mich innerhalb weniger Tage dort zu Hause gefühlt. Ich habe dort viele sehr tolle Menschen kennengelernten, intensive Freundschaften geknüpft und werde immer wieder gerne dorthin zurückkehren. Ich spreche nahezu komplett Niederländisch, was ich mir autodidaktisch und mit Hilfe von Freunden beigebracht habe und könnte mir auch vorstellen, wieder einmal für längere Zeit dort zu sein oder auch zu leben. Süd-Holland, Den Haag, die Nordsee und das angrenzende Belgien sind eine Gegend, an der ich mich einfach zu Hause und rundum wohl gefühlt habe.
Lisa Hoffmann
04.01.2013