Auslandssemester 2011 – 2012 in Gent
Auf die Idee meinen Auslandsaufenthalt an der Sint Lucas Universiteit voor Beeldende Kunst in Gent zu verbringen kam ich, da meine mich betreuende Professorin ein Jahr zuvor dort einen Gastvortrag gehalten hatte. Nachdem sie wieder in Kiel war, erzählte sie schwärmend von der dortigen Kunsthochschule und allem was diese umgibt.
Da ich schon seit meinem Bachelor-Studium dem Gedanken nachging ein Auslandsstudium wahrzunehmen, war es nun, während meines Masterstudiums, höchste Zeit.
Angetan von den Berichten meiner Professorin suchte ich alsbald unser „fernweh-Büro“ auf und informierte mich ausgiebig. Frau Zieschang war mir eine große Hilfe und informierte mich ausgiebig über alle Möglichkeiten und zu treffenden Vorbereitungen. Sie nahm sofort Kontakt zu der Hochschule meiner Wahl auf. Ich schrieb einen Bewerbungstext, welcher meinen bisherigen Werdegang, sowie meine Vorhaben für das kommende Auslandsstudium umfasste. Anbei fügte ich mein Portfolio (Bilder bisheriger Arbeiten) und einen Lebenslauf.
Daraufhin ging alles ziemlich zügig. Mit der Bestätigung der Annahme durch die Sint Lucas Universiteit begab ich mich, mit Hilfe des Internets, auf Wohnungssuche und informierte mich zudem auch über die Stadt selbst. Meinen BAföG Antrag hatte ich schon vorher eingereicht (Pro forma) da ich von anderen Studenten hörte, dass die Bearbeitung länger dauern könne. Auch dem vom Frau Zischang unterbreiteten Vorschlag, an einem Intensivsprachkurs in Gent teilzunehmen, um schon einmal vor Beginn des Studiums mit der Landessprache (Flämisch) und der Kultur in Kontakt zu kommen, stimmte ich begeistert zu.
Nach ca. 50 verschickten E-Mails auf meiner Suche nach einer Unterkunft in Gent, bekam ich dann endlich, einen Monat vor Abreise, eine Zusage.
Ich reiste mit der Bahn, in Begleitung einer weiteren Person, um einige nötige Gegenstände und Habseligkeiten zu transportieren. Nach ca. 9 Stunden Fahrt kamen wir dann an der Sint-Pieters Station in Gent an. Mein Vermieter war so nett und holte uns mit dem Auto ab.
Zuerst wohnte ich in einem Haus mit drei weiteren Studenten und dem Eigentümer selbst. Nach ca. 5 Monaten zog ich mit einer Kommilitonin zusammen. Zu zweit bewohnten wir ein kleines Haus, was sich direkt an einem der kleinen Flüsse und neben einer alten Abtei befand. Ein romantisches Panorama in der Mitte von Gent. Für mein erstes Zimmer, welches 13 m² umfasste, sowie eine geteilte Toilette, geteilte Küche und Dusche, zahlte ich monatlich 300€. Das nun bezogene Haus war ausreichend groß und mit seinen 270€ monatlich, alles inklusive, ein wahres Schnäppchen für Gent. (Es muss dazu gesagt werden, dass es sich jedoch um ein altes Haus handelte, in dem die oberste Etage keine Gasheizung besaß und die Heizung in der Küche, im kältesten Winter, manchmal einfach nicht funktionierte.) Doch im Großen und Ganzen war dies ein herrlicher Fleck, um 8 Monate zu verbringen.
Mein erster Tag an der Sint Lucas war ein guter Start. Wir wurden herzlichst empfangen, herumgeführt, informiert und verpflegt. Frau Demeester, welche für alle Anliegen der Gaststudenten zuständig war, war in den 10 Monaten Aufenthalt ein wahrer Glücksfall. Sie fand für jedes Problem eine Lösung, informierte uns immer über aktuelle Geschehnisse in der UNI, sowie in der Stadt selbst und sandte uns eine E-Mail, sollte sie mal länger nichts von uns gehört haben, um zu fragen, wie es denn so geht. Alle Erasmusstudenten waren äußerst nett und interessant. Es entstand eine umtriebige Verbindung, die sich auch auf die einheimischen Studenten ausweitete. Durch meinen Intensivsprachkurs, konnte ich mich schon etwas mit den einheimischen Studenten verständigen. Sie waren sehr erfreut von meiner Bereitwilligkeit ihre Sprache zu erlernen. Aber man muss auch ausdrücklich darum bitten in flämisch zu kommunizieren, da die Belgier nur allzu gern englisch sprechen. Nach zwei Wochen gegenseitigem beschnuppern (die Belgier sind doch eher zurückhaltend) stand einem vergnügten arbeiten im Atelier nichts mehr im Wege. Auch der theoretische Teil was sehr interessant und anregend. Es gab ein nettes Angebot, was auch Historik und gegenwärtige Kunst der Stadt umfasste. Die Seminare wurden in Englisch abgehalten. Im Laufe der ersten 3 Monate war es für mich dann auch nicht mehr schwierig Vorlesungen in flämisch zu folgen.
Da ich mich im Masterstudium befinde, gestaltete sich mein Tagesablauf ziemlich frei. Das einzige vorhandene Limit waren die Öffnungszeiten der Hochschule. MO. –DO. schlossen die Ateliers um 20 Uhr, am Freitag um 18 Uhr. Am Wochenende blieben die Ateliers geschlossen. Das war eine ärgerliche Umstellung für mich, da ich es doch bevorzuge Nachts zu arbeiten und dies, dank eines elektrischen Schlüssels, an unserer Hochschule in Kiel auch möglich ist. Wie dem auch sei war ich sehr produktiv und inspiriert von neuen Diskursen und meinem neuen Umfeld.
Zu Beginn meines Aufenthalts arbeitete ich noch mit dem Werkstoff Keramik, wodurch ich einen Arbeitsplatz im dortigen Keramikatelier bewohnte. Nach meinem ersten Semester ging ich jedoch meinem Gefühl nach, die Keramik hinter mir lassen zu müssen und wechselte in ein freies Atelier, was sich auch nicht mehr auf dem Hochschulcampus befand. Ein altes großes Gebäude, mit einem zum Grillen und zum Verschnaufen einladenden Innenhof. Natürlich auch an einem Flüsschen. Hier verbrachte ich die Tage und Stunden zwischen meinen Seminaren, Freizeiten und Ausstellungen. Der künstlerische und soziale Austausch war rege und ich kann mich nur schwerlich an Abende erinnern, die ich alleine daheim verbracht habe. Immer wurde irgendwo gekocht, ein Film gezeigt, ein Konzert gesehen, selbst Musik gemacht und so weiter…
Ich kann nur jedem Studenten empfehlen, ein solches Auslandssemester wahrzunehmen. Wer Angst davor hat sollte sich vor Augen führen, dass es keinen Grund für Besorgnisse gibt. Man ist nie alleine und wird auch nie allein gelassen. Die Vorbereitungen und Unterstützungen sind so Ausgiebig, dass es wirklich eine vertane wunderschöne Chance wäre, sollte man diese nicht wahrnehmen! Das Auslandssemester hat mich in meiner Persönlichkeit, meiner künstlerischen Arbeit, sowie im Erlernen einer neuen Sprach bestärkt. Ich habe viele Internationale Freundschaften geschlossen, welche mir auch Besuche in England, Holland, Frankreich, Italien und im nächsten Jahr in der Türkei und dem Iran ermöglichten/ermöglichen. Es gibt wirklich keine negativen Ereignisse oder Erfahrungen, die ich mit diesem Jahr in Verbindung bringe! Auch empfehle ich jedem Studenten an dem vorangehenden Intensivsprachkurs teilzunehmen. Es macht einfach Spaß und man lernt schon einen Monat vor Beginn des Studiums Menschen aus aller Herren Länder kennen!
Madeleine Leroy