Porto 19.2.2013-15.8.2013 Ein Studierendenbericht von Anna Barnick
Mit einer willkommenen Brise in den heißen Sommermonaten und einem unkontrollierbaren Wind in den Wintermonaten, der jeden Regenschirm als völlig nutzlos enttarnt, spürt man, dass man sich zwar in südlicheren Gefilden befindet, aber sich doch ab und zu das typische englische Wetter mit einem fiesen Schauer einschleichen kann. Dabei sei bemerkt, dass ich wohl den kältesten Sommer seit 200 Jahren dort verbracht habe und trotz diverser Regenschirmkatastrophen war es durchgehend warm.
Porto ist eine der ältesten Hafenstädte Europas und mit etlichen Kirchen, kleinen Gassen und Schleichwegen gibt es viel zu entdecken. Am Anfang meines Aufenthalts habe ich unzählige Stunden damit verbracht, ziellos durch die Stadt zu irren und mich an Orten wieder zu finden, aus denen man ohne auch nur ein Wort dieser eigenartigen Sprache zu verstehen, nur mit wildem Gestikulieren wieder zurück finden konnte.
Durch die vielen verlassenen und verfallenen Häuser in der Altstadt wirkt das Stadtbild Portos recht urig und eigenwillig. Aber mich konnte es ganz besonders wegen seiner unkonventionellen Erscheinung in seinen Bann ziehen. Ich muss zugeben, dass mich der Anblick sowohl fasziniert als auch gegruselt hat. Die fensterlosen Fassaden und der moderige Geruch, der einem bei einem Windzug durchs Gesicht bläst, verursacht nämlich besonders nachts eine geisterhafte Aura.
Die erste Woche nach meiner Ankunft habe ich in einem der günstigen Hostels verbracht, die in der Stadt angesiedelt sind. Man könnte zwar meinen, dass es recht blauäugig war, ohne eine Wohnung in spe nach Portugal zu reisen, aber ich denke, dass Porto durch die vielen internationalen Studenten genügend Möglichkeiten bietet, um kurzfristig fündig zu werden. Ich hatte diesbezüglich Glück, denn eine Kommilitonin konnte mich am ersten Unitag an eine Portugiesin vermitteln, die noch neue Mitbewohner gesucht hat. Somit hatte ich schnell ein kleines gemütliches Zimmer in einer sehr sympathischen 3er WG gefunden für einen Mietpreis von 190 Euro warm.
Viele günstige Wohnungen in Porto sind jedoch alt und isolieren im Winter so gut wie gar nicht und im Sommer hat man das Gefühl, in einem Treibhaus zu frühstücken. Durch fehlende Zentralheizung (das ist in Portugal üblich) war für mich im ersten kalten Monat meiner Anwesenheit jeder Gang zum Bad eine Herausforderung und bedeutete mentale Kriegsführung, um dem gefühlt vereisten Boden zu trotzen. Alles eine Sache der Gewohnheit.
Bei meiner Kurswahl an der Uni hatte ich ein gutes Händchen. Alle Professoren waren internationalen Studenten gegenüber sehr aufgeschlossen und haben entweder nach der Vorlesung in einem Einzelgespräch den Inhalt noch einmal auf Englisch zusammengefasst oder sie haben sogar den Kurs bilingual geführt. Die Fakultät Belas Artes ist durch seinen romantischen Garten, den Fontänen und den zahlreichen Statuen genau das Richtige für Leute die gerne entspannt im Gras liegen, wobei die Ausstattung je nach Fachrichtung mal mehr mal weniger zufriedenstellend ist.
Bei aller Kulanz und guten Absichten der Professoren und portugiesischen Mitmenschen hätte ich mir persönlich doch gewünscht, dass man mit mir in aller Brutalität immer auf Portugiesisch gesprochen hätte. Das ist am Anfang selbstverständlich – auch im eigenen Interesse – so gut wie unmöglich. Wer jedoch wahres Interesse daran hat, diese Sprache zu erlernen, die der Deutschen ferner ist, als man annehmen kann, sollte mit viel Disziplin, Beharrlichkeit und Durchhaltevermögen an die Sache ran gehen. Das klingt zwar wie der Trainingsplan für einen Marathon, aber das wird der Sprache nur gerecht. Unglücklicherweise konnte ich aus Zeitgründen im Vorfeld meines Aufenthalts keinen Sprachkurs absolvieren und habe mir selber daher mit einem Sprachführer die ersten Brocken selber beigebracht. Das hat zwar viele alltägliche kommunikative Hindernisse weggeblasen, aber ein tiefgründigeres Gespräch bleibt einem förmlich im Halse stecken, da einem schlicht und einfach die Worte fehlen. Erst als ich zum Ende meines Aufenthalts noch einmal einen Sprachkurs belegt habe, konnte ich auch durch meine Vorkenntnisse portugiesisch recht schnell sprechen.
Wenn ich eine Lieblingssparte meiner Reise wählen müsste, würde ich mich für „Land und Leute“ entscheiden. Mir ist kein anderes Land bekannt, dass durch seine überzeugte urige Andersartigkeit so viel Sympathie weckt. Zwar spürt man an der einen oder anderen Stelle die Finanzkrise durch einen latenten Zynismus und einen Hauch von Bitterkeit in ruhigeren Momenten, doch tat das der eigenen Lebensfreude zu keinem Zeitpunkt Abbruch.
Fast jeden Abend bin ich mit Freunden in die nahegelegene Bar gegangen, wo sich alles tummelt, was jung oder alt oder ein mittelloser Künstler ist. Meist wird Musik gespielt und wenn nicht gerade Johnny Cash aus den Boxen raunt, gibt es irgendwo Livemusik. Bei nächtlichen Spaziergängen durch die Altstadt sprudelt das Leben auf den Straßen und keiner ist sich zu schade, sich mit einem Bier im Plastikbecher auf den warmen Pflasterstein zu setzen, um sich über eine kleine daherlaufende Echse zu amüsieren. Das gesellige Leben beginnt in Porto für gewöhnlich erst um zwei Uhr morgens, denn Abendrot gibt es auch erst um halb elf. Tagsüber kann man sich in einem der unzähligen Cafés seine Zeit vertreiben und sich durch eine Vielzahl von kleinen Törtchen, Cremekuchen und Keksen schlemmen, bis man sich als satte, dicke Raupe am nahegelegenen Strand rösten kann.
Ich kann mit Gewissheit sagen, dass es für mich die richtige Entscheidung war, ein Auslandssemester in Portugal zu machen, denn ich habe viele interessante Menschen kennenlernen dürfen und einen Eindruck von Europa bekommen, dem kein Touristenführer das Wasser reichen kann. Ich könnte mir vorstellen, dort auch zu leben.