Erasmus Bericht Sara Pütter
Sommersemester 2013 / Szenografie / Innenarchitektur
Fachhochschule Nordwestschweiz, Basel
Wenn man nur weiß, dass, aber nicht wohin, dann verlässt man sich am besten auf eine erfahrene Koordinatorin. Wie soll man sich auch für eine Stadt entscheiden, wenn die Liste der Städte lang und die eigene Unschlüssigkeit groß ist? Also, Basel. Der Anruf ist schnell getätigt, das Bewerbungsverfahren unkompliziert. Zwei Wochen später die Gewissheit, dass man ab Februar in einer fremden Stadt einen fremden Frühling als Fremde erleben wird.
Um vier Uhr morgens der Abschied mit einem mulmigen Gefühl im Bauch, ohne zu wissen, was mich erwartet, wenn ich 12 Stunden später aus dem Zug wieder aussteigen werde. Schnee, natürlich. Kleine weiße Flocken, die genauso nass und kalt sind, wie in Kiel. Eine herzliche Begrüßung im Wohnheim, gleich eine familiäre Atmosphäre, denn die Mitbewohnerin kommt aus Hamburg und versteht was von einem ordentlichen Klönschnack. Die anfangs argwöhnte Biederkeit im katholischen Frauenwohnheim bleibt unauffindbar, und zu siebt lebt es sich überraschend entspannt. Es ist schön, abends nach Hause zu kommen und immer Jemanden zum plaudern zu haben.
Fremd in einer Stadt heißt Beobachter sein, man kann sich zurücklehnen, mit dem Wissen um das eigene Andere und einer großen Portion Neugier, die jeden Spaziergang durch die mittelalterlichen Straßen zu einem Abenteuer macht.
Der Frühling nach einem langen grauen Kieler Winter entpuppt sich als wohltuende Farbexplosion. Fröhliche Farbtupfer auf Jugendstilbalkons, überquellende Vorgärten und miteinander wetteifernde Vögel, die Welt drängt nach Außen – am Rhein sitzt man bereits bei niedrigsten Temperaturen dick eingepackt in Decken und genießt die Sonnenstrahlen.
Das Semester beginnt mit einer Wirtschaftswoche ohne persönliche Einführung, was am Anfang verwirrend ist, wegen der Menge an Studenten, und dem nur langsamen Herausfinden, mit wem man überhaupt zusammen studiert. Die Einführung findet dann im eigenen Institut zum Beginn der nächsten Woche statt, die Formalia sind schnell geklärt und erstaunlich unbürokratisch. Das zweite und dritte Jahr teilt sich zwar das Atelier, aber den meisten Kontakt hat man zu den vier Tischnachbarn in der „Koje“, weshalb es auch eine ganze Zeit dauert, bis ich den Überblick über die Kommilitonen habe. Die Semestergröße ist vergleichbar mit der in Kiel, allerdings gibt es auch drei Männer im Kurs.
Die verschiedenen Institute der Fachhochschule sind in der Stadt verteilt und machen den Montag, an dem die meisten Theorievorlesungen stattfinden, zu einem Sportereignis, ein einziges Hin-und Her zwischen den Orten mit kaum Zeit zwischendurch zum Mittagessen. Das Highlight des Montags ist das Seminar Werkbetrachtung im Schaulager. Vor Ort Kunst anschauen im Kontext beeindruckender Architektur. Aber auch die anderen sogenannten Kontextveranstaltungen sind sehr gut und interessant. Was fehlt ist eine auf Architektur ausgelegte Vorlesung, die anscheinend aber in den ersten Semestern abgehandelt wurden. Insgesamt bleibt wenig Spielraum für eigene Schwerpunkte, der Lehrplan ist recht schulisch und stark getaktet.
Das Semesterprojekt findet deshalb hauptsächlich an zwei Tagen in der Woche statt und in den Zwischenzeiten. Am Ende wird jede freie Minute darauf verwendet und es bleibt kaum Zeit für etwas anderes außerhalb der Uni. Durch Sponsoren kommt für das Kooperations-Projekt mit dem Museum „Kleines Klingenthal“, sechs Läden innerhalb Basels und der Hochschule eine Summe von ca. 14000 CHF zusammen, das Resultat bei der Vernissage kann sich sehen lassen. In sechs Läden ist jeweils eine eigene Installation zum Thema „Schaufenster in Basel – gestern und heute“ entstanden. Es ist ein großartiges Erlebnis, vor dem Produkt von drei Monaten Planung zu stehen und tatsächlich umgesetzt zu sehen und ein merkwürdiges Gefühl, dass für ein Semesterprojekt von Studenten so unglaublich viel Geld in die Hand genommen wird. Neben der Umsetzbarkeit der Projekte wird viel Wert auf den Theorie-Teil im Institut Innenarchitektur gelegt und ich schreibe gerne die 8-Seitige Theoriearbeit mit, die auf die Diplomarbeit vorbereitet.
Ein Erasmus-Semester in Basel machen heißt eigentlich, Vollzeit-Student zu sein. Als Deutsche zumindest, denn die Entschuldigung des Nicht-Verstehens der Sprache zählt nicht, da sich alle sehr viel Mühe mit Hochdeutsch geben, wenn sie mit mir reden. Die andere Austauschstudentin aus China muss einige Vorlesungen gar nicht besuchen.
Als Deutsche dreht man den Rappen in der Schweiz zwei mal um, und ich bin froh, dass mein Fahrrad mein ständiger Begleiter ist, denn der Nahverkehr ist recht teuer – wie alles eben. Die Kollegen aus dem Kurs verdrehen irgendwann nur noch die Augen, die Deutschen eben, diese Pfennigfuchser. Aber man wird erfinderisch. Und wenn man erfinderisch ist, erlebt man mehr, zumindest hatte ich den Eindruck. Wie sich die Massen an einem Samstagmorgen erst über den Zoll und dann in den Marktkauf in Weil am Rhein direkt hinter der Grenze schieben. Dann das Einkäufe-im-50-Liter-Rucksack-Verstauen, und über die französische Grenze wieder zurück in die Schweiz fahren. Unterwegs in einer kleinen Boulangerie noch ein Baguette mitnehmen. Frankreich und Deutschland als direkte Nachbarn zu haben, verleiht dem Leben diesen berühmten Dreiländerflair, dazu kommt noch die schweizerische Vielsprachigkeit.
Auch als Naturliebhaber ist die Umgebung perfekt, Rennradfahren, Klettern, Bergsteigen – es ist für jeden Geschmack etwas dabei, und als die Vorlesungen und das Projekt vorbei sind, komme ich dann endlich in den vielgerühmten Genuss des Rheinschwimmens. Ein halbes Jahr vergeht schnell, schneller als mir lieb ist. Deshalb habe ich die Zeit für mich selbst verlängert, während des Aufenthaltes mein Bleiben in die Wege geleitet. Ich werde meinen Abschluss in dieser Stadt machen, die ich mit zwei kleinen Rucksäcken betrat.