Die Mimar Sinan Universität der Bildenden Künste in Istanbul (Mimar Sinan Güzel Sanatlar Üniversitesi, kurz MSGSÜ) ist ziemlich groß und prächtig, liegt direkt am Wasser und wurde gerade (genaugenommen zwei Jahre lang) frisch renoviert und ist jetzt so gut wie fertig.
Die Schule wurde 1882 durch den berühmten Maler und bedeutenden Archäologen Osman Hamdi Bey als „Schule der schönen Künste und Architektur“ gegründet. Sie war die erste ihrer Art in der Tükei und ist seit 1914 koedukativ (gemeinsamer Unterricht von Mädchen und Jungen).
Ein Semester an der MSGSÜ hat eine Länge von ca. 4,5 Monaten. Also ähnlich wie an der Muthesius, allerdings im Vergleich zu unserem System um einige Wochen zeitversetzt. Der Unterricht erfolgt vornehmlich auf Türkisch. Für die Erasmus Studenten wurde der Unterricht von einer zweiten Lehrkraft meist simultan übersetzt.
Es gibt mehrere Standorte der Mimar Sinan. Im Hauptgebäude befinden sich die Fachbereiche Bühnenbild, Kommunikationsdesign, Modedesign, Bildhauerei, Fotografie, Malerei, Grafik, Textilkunst, Keramik, Glaskunst und Kunstgeschichte. Ganz in der Nähe gibt es eine Fakultät der traditionell osmanischen Künste, darunter fallen u.a. Kalligraphie, Ornament, Buchbinden und Ebrukunst. Etwas weiter weg gibt es die Philosophische Fakultät, wo Soziologie Philosophie und Geschichte gelehrt wird.
Insgesamt beeindruckt die Schule durch ihre Vielfalt und Vielzahl an Werkstätten und Ateliers. Der Malereibereich umfasst 6 Malereiklassen, die jeweils 2 bis 3 große Ateliers beziehen. Auch Erasmus Studenten können sich einen eigenen Platz einrichten, Staffeleien sind ausreichend vorhanden. Schwerpunkt der Ausbildung ist Akt- und Freie Malerei.
Die Bildhauer haben ebenso viel Platz im Innen und Außenbereich, Bildhauerplätze und Werkstätten.
Die Fotografie hat ein eigenes Gebäude, in dem Seminarräume, Fotolabor, Medienlabor mit Printern und Rechenplätzen untergebracht sind.
Istanbul übt einen besonderen Reiz aus. Es ist eine Stadt auf zwei Kontinenten, Asien und Europa und das macht sich bemerkbar. Istanbul ist ein Meltingpot der Kulturen. Orientalisch, lebendig, bunt, voller Energie, immer in Bewegung, abenteuerlich, kulinarisch, eine Stadt die vibriert und inspiriert und in der alles möglich scheint. Eure Eindrücke und Erlebnisse werden Euch sicher ein Leben lang in Erinnerung bleiben.
Die Spuren der drei Weltmächte, die Istanbul beherrschten sind in der ganzen Stadt sichtbar, wie in einem riesigen Freilichtmuseum. Istanbul ist mit ca. 15Mio Einwohnern bevölkerungs-reichste Stadt der Türkei. Istanbul hat aber auch mit seinen vielen Bars und Szenecafés viel zu bieten. Besucht z.B. die Dachterasse der Schischabar „Mimar Sinan Cafe“ direkt vor der Süleymaniye Mosche, für einen überwältigenden Rundumblick über ganz Istanbul. Oder die Bar Küçük Beyoğlu in einer Seitenstraße der İstiklâl Caddesi am Taksim-Platz. Die İstiklâl Caddesi ist das Amüsierviertel von Istanbul (auf der europäischen Seite). Auf dieser Straße wird jede Nacht in den unzähligen Bars, Kneipen und Diskotheken (z. B. Araf) ausgiebig gefeiert. Tagsüber ist die İstiklâl Caddesi eine Shoppingmeile unter anderem auch mit vielen Galerien.
Erster Gang, wenn man in Istanbul ankommt, ist der Besuch im International Office des Erasmus Koordinators. Bei mir war das Mesut Isik. Sein Büro ist direkt auf dem Campus an einem der Ausgänge ein kleines altes Gebäude neben der Post (PTT). Er sagt Euch, was als Nächstes zu tun ist und gibt Euch ein Paar wichtige Formulare und Dokumente.
Ihr habt eine Woche Zeit alle administrativen Dinge zu klären, euren Betreuer zu treffen und Kurse zu wählen.
In der ersten Woche hatte ich auch gleich einige Erasmusstudenten aus Frankreich, Italien und Griechenland kennengelernt. Viele Dinge konnte man so gemeinsam erledigen und sogar schon einige Sehenswürdigkeiten abklappern, wie Hagia Sophia oder die osmanische, unterirdische Zisterne. Unter Erledigungen fallen ua. Studentenausweis, Museumskarte, Passfotos, aufladbare Studentenfahrkarte für alle Transportmittel, Handy und Prepaid Karte. Denn Ausländische Handys müssen teuer bei der Stadt registriert werden, sonst werden sie nach einem Monat automatisch abgeschaltet und unbrauchbar. Das ist eine ge-(ent-)setzliche Regelung, die den Handy Schmuggel unterbinden soll. Naja, ich hatte das jeden-falls gemacht, weil ich mein Smartphone gern benutzen wollte. Hatte auch mobiles Internet besorgt und war so sehr gut vernetzt und hatte es leichter, mich zu orientieren.
Ich hatte eine Wohnung auf der asiatischen Seite Istanbuls, das ist günstiger, ruhiger und einfach herrlich morgens mit dem Dampfer über den Bosporus zu rauschen und somit günstig, schnell und vor allem stressfrei quasi direkt zur Hochschule zu fahren (Anleger Kabatas ist 5min zu Fuß am Wasser entlang zur Hochschule).
Zu empfehlen sind vor allem die Stadtteile Üsküdar und Kadiköy, möglichst nah zum Hafen und den Dampferanlegestellen. Man zahlt für ein WG-Zimmer zwischen ab 300-600 TL und mehr.
Es empfiehlt sich schon vor Antritt des Studiums mindestens einen Türkisch-Kurs zu belegen. Zum einen weil man einfach mehr mitbekommt von Kultur, Land und Leuten, mehr Spaß hat, in der Hochschule mehr „Lernerfolge“ und einfacher Kontakte zu den Mitstudenten knüpfen kann, zum anderen weil man viele Situationen im Alltag leichter meistert. Denn die Einheimischen sind zwar kontaktfreudig und freuen sich über Ausländer, die wenigsten können jedoch Englisch. Selbst die Studenten haben meist zu wenig Englischkenntnisse und zudem eine große Scheu Englisch zu sprechen. Dies gilt teilweise sogar für Professoren.
Die türkische Sprache ist anfangs ungewohnt in der Aussprache und als nicht indogermanische Sprache völlig anders in den grammatikalischen Strukturen. Die türkische Sprache ist eine poetische Sprache. Sie ist sehr bilderreich und blumig, lebt von Redewendungen, ist reich an Sprichwörtern und auf der Klang-Ebene ist sie sehr melodisch. Von Vorteil ist ihre Regelmäßigkeit. Es gibt kaum Ausnahmen. Hat man einmal das Prinzip verstanden, kann man sich nach dem Satzbaukastenprinzip Sätze bauen und dann vieles im Selbststudium beibringen und natürlich wunderbar üben, wenn man mit den Menschen auf der Straße spricht. Und die freuen sich, wenn man türkisch spricht und ermuntern einen geradezu, weiter zu sprechen.
Wenn Ihr Eure „Indirimli Karti“ habt könnt Ihr Euch damit auch eine Museumskarte (Müze Kartı) kaufen. Diese erhält man in fast allen Museen Istanbuls. Ihr bezahlt einmalig ca. 20,- TL und könnt dann mit dieser Karte in fast alle Museen des Landes ohne Eintritt zu zahlen! Ob in Istanbul, Troja (Truva) oder Kapadokien, die Karte ist landesweit gültig.
Ich wäre gern noch ein Semester länger in Istanbul an der Mimar Sinan geblieben. Man braucht eine Zeit um Anzukommen und es ist kaum möglich, die Stadt in einem halben Jahr richtig kennen zu lernen, viel Zeit für eigene künstlerische Arbeiten hat man neben den ganzen Kursen kaum und die meisten Freundschaften mit einheimischen Studenten haben sich erst gegen Ende des Semesters gebildet. Ich kann Euch die Mimar Sinan Universität nur empfehlen, die Lehrkräfte sind freundlich und lustig, aber auch streng und fordernd, was ich für eine gute Mischung halte. Die Studenten habe ich ambitioniert und motiviert, aber auch diskussionsfreudig, lustig und locker erlebt. Die Lage der Hochschule ist großartig und die Stadt atemberaubend, anregend und spannend in vielerlei Hinsicht. Ob politisch oder kulturell regt sie die Gemüter.
Nutzt diese wirklich einmalige Chance und geht nach Istanbul. Sammelt unvergessliche Momente und Erlebnisse in einer Stadt voller Widersprüche und Spannungen und macht Euch ein authentisches Bild von der Stadt zwischen Orient und Okzident.
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