Erasmusbericht – Bukarest, Rumänien
Universitatea Naţională de Arte Bucureşti
Wintersemester 2012/2013
Janike Beste, Kommunikationsdesign M.A.
Vorbereitung
Die Entscheidung mein Auslandssemester im rumänischen Bukarest zu verbringen, lag vor allem an dem Wunsch in ein osteuropäisches Land zu reisen. Ich hatte schon ein paar Länder wie Slowenien und die Slowakei bereist und fand es spannend mehr über diesen Bereich Europas zu erfahren – sowohl Land und Leute, aber besonders die Gestaltung und die Kultur. Da die Universitatea Naţională de Arte Bucureşti (kurz: UNArte) zu dem Zeitpunkt die einzige Partnerhochschule in Osteuropa war, stand die Entscheidung also schnell fest. Informationen versuchte ich über die Internetseite der Auslandshochschule zu bekommen, allerdings war diese damals recht unübersichtlich, dass ich Kontakt zu der damaligen Erasmuskoordinatorin aufnahm. Dieser Kontakt war auch recht spärlich, doch erhielt ich zumindest grobe Information über Unterkunftsmöglichkeit und Sprachkursoptionen. Man sagte mir, dass ich keinen Sprachkurs brauche, weil eigentlich alle Kurse auf Englisch seien. Trotzdem wollte ich sprachlich gewappnet sein und lernte ein wenig mittels einer Sprachlern-CD mit Lernheft. Zusätzlich beschaffte ich mir über Bücher und Internet eine Art Basiswesen über das Land, die Menschen, ihre Geschichte und auch ihre Kultur, um grob vorbereitet und nicht ganz verloren zu sein. Leider konnte ich nicht aus den Erfahrungen von anderen Studenten meiner Heimathochschule profitieren, da nur vor sehr langer Zeit jemand in Bukarest gewesen ist. Doch bin ich gern bereit, diese Rolle in Zukunft zu übernehmen.
Unterkunft
Im Voraus teilte man mir mit, dass es die Möglichkeit gäbe, in einem Wohnheim der Hochschule unterzukommen. Ich müsse nur 50€ im Monat zahlen, sei allerdings zu viert auf einem Zimmer. Da ich mir dies recht schwierig vorstellte – vor allem als Gestalter mit Hang zu viel Platz – nahm ich dies nur als Notoption für mich an. Später hatte ich Freunde dort und sah, dass es nur kleine Räume waren, man sich mit vielen das Bad teilte und es in rumänischen Wohnheimen sehr ungewöhnlich ist, irgendeine Art von Küche zu haben. Mithilfe privater Unterstützung in Form einer rumänischen Bekannten, fing ich schon in Deutschland an, den rumänischen Wohnungs- und WG-Markt zu durchsuchen. Leider wurde ich nicht rechtzeitig fündig, sodass ich von einem dortigen Hostel aus, zusammen mit einer übers Internet gefundenen belgischen Erasmusstudentin, nach ein paar Tagen endlich eine WG-taugliche Wohnung fand. Sehr komfortabel und zentral gelegen, weshalb die Miete leider auch deutlich über den dortigen studentischen Mietausgaben von ca. 150€ lag.
Studium an der Gasthochschule
Wenn man über die Universitatea Naţională de Arte Bucureşti spricht, sollte man erwähnen, dass sie wirklich sehr stolz auf ihren damaligen Schüler Constantin Brâncuși (gesprochen: Brankuusch) ist, obwohl er die meiste Zeit seines Lebens in Paris wirkte. Sein Geist scheint trotzdem zu wirken und inspiriert nach wie vor die rumänischen Studenten. Die damalige Erasmuskoordinatorin teilte mir vorab mit, dass es wohl das Beste sei, in den Bereich Fotografie/Video zu gehen. Doch fand ich an meinem ersten Schultag heraus, dass es sogar einen eigenen Grafik-Design Bereich inklusive Masterstudenten gab. Da war ich glücklich und machte sämtliche Kurse mit, die meine Kommilitonen absolvierten, um auch einen gewissen Vergleich zu meiner Heimatuniversität zu bekommen. Als Zusatz belegte ich noch einen Kurs im Textil-Design, um an den dortigen Webstühlen einen Schal anzufertigen. Prinzipiell hätte ich aber sämtliche Kurse aus den Bereichen Wandmalerei, Bildhauerei, Malerei, Modedesign, Textildesign, Grafik, Kunstpädagogik, Keramik/Glas/Metall, Restauration und auch Bühnenbau wählen können. Da man aber aus finanziellen und organisatorischen Gründen keinen Sprachkurs schaffen konnte, versuchte ich meine Kenntnisse an einer fremden Universität aufzubauen. Die angebotenen Kunsthochschul- Kurse waren nämlich doch größtenteils auf Rumänisch, obwohl man dazusagen muss, dass sich die Professoren und Mitstudenten reichlich Mühe gaben, mir alles auf Englisch oder sogar auf Deutsch zu erklären. Eigentlich ist Rumänisch als eine der romanischen Sprachen für jemanden mit Französisch- oder Lateinkenntnissen schon ein wenig leichter zu verstehen, als die Slawischen Sprachen drum herum. Aus dem Grund versuchte ich auch einen Theoriekurs auf Rumänisch. Generell herrschte an der Universität eine angenehm, ausgelassene Atmosphäre – man hat in dem einen zentral gelegenem Gebäude einen großen, sonnigen Innenhof zum Verweilen, wo sich alle Studiengänge treffen können. Dazu gibt es weitere Gebäude mit Werkstätten und Studios und die zwei hochschulzugehörigen Straßenhunde sorgen für gute Laune. Allerdings gibt es aus meiner Sicht auch Verbesserungspotenzial: beispielsweise scheint die Bibliothek, weil veraltet, sehr unattraktiv für die Studenten zu sein und außerdem wird aus Sicherheitsgründen kein einziger Arbeitsraum (mit Rechnern, Druckern etc.) zur Verfügung gestellt. Wobei die gesamte Universität auch abends abgeschlossen und nur unter besonderer Erlaubnis von Professoren ein Aufenthalt genehmigt wird. Insgesamt spürte man aber ein buntes und fleißiges Klima, das zum einen durch kleine Semestergrößen und auch durch engagiertes Personal (insbesondere die neue Erasmuskoordinatorin) bewirkt wurde.
Alltag und Freizeit
Bukarest als Stadt ist schon eine sehr spezielle Stadt. So viele Kontraste wie hier findet man wahrscheinlich kaum in einer anderen europäischen Millionenstadt. Einerseits leben Menschen im Winter in der Kanalisation und hinterlassen Hinweise, dass niemand den Gullideckel schließt, andererseits säumen die dicksten Geländewagen mit schicken Menschen die gläsernen Straßen der Bankenviertel. An einer Straßenecke werden kleine geklaute Straßenhundewelpen organisiert zu Weihnachten verkauft, während an der anderen Ecke ein Hundesitter mit lauter reinrassigen Windhunden vorbeiläuft. Außerdem wechseln sich spannende architektonische Gegenteile im Stadtbild schlag auf schlag ab: mal mittelalterliche Reitstallhöfe, dann pompöse kommunistische Zuckerbäckerbauten (das dortige Parlament ist das zweitgrößte Regierungsgebäude nach dem Pentagon), dann wieder hübsche Gebäude aus der Zeit des deutschen Königs Karl (Anfang des 20. Jh.), der für ordentlich Wirtschaftsaufschwung sorgte und dann die vielen, vielen orthodoxen Kirchen. Zudem findet man insbesondere als Deutsche viele Dinge, die gegensätzlich zur deutschen Logik funktionieren. Beispielsweise erkennt man in ganz Rumänien Bushaltestellen hauptsächlich daran, dass Menschen irgendwo zusammen warten. Das kleine Schild ist handgemalt und wenn man nach einem Abfahrtsplan oder einer Haltestellenliste fragt, wird man eher erstaunt ausgelacht. Außerdem braucht man für Metro und Bus zwei verschiedene Tickets, weil dies unterschiedliche Unternehmen inklusive unterschiedlichem Buchungssystem sind. Um der Verwirrung aus dem Weg zu gehen, schaffte ich mir als typische Kielerin irgendwann ein Fahrrad an. Doch sollte auch dies nicht ohne Hindernisse geschehen. Schließlich steckt die Kultur des Fahrradfahrens in Rumänien noch in seinen Kinderschuhen – man gibt sich zwar Mühe in Parks zweispurige Radwege zu legen und Leihräder anzubieten, doch kann es auch passieren, dass einem auf einem Radweg plötzlich ein Baum begegnet. Zusätzlich ist das Bewusstsein der Autofahrer noch nicht angemessen erweitert – entweder sind Wege komplett zugeparkt oder man schneidet beim Abbiegen den Weg. Doch ist Fahrradfahren ebenso auf dem Vormarsch „hip“ zu sein, wie spontane Straßen-Flashmobs, alternative Szenetreffpunkte in alten besetzten Häusern oder vorerst gemiedene Secondhand-Läden und Flohmärkte. Allerdings braucht man als Fremder sehr lang, bis man solche Ort gefunden hat. Auch aufgrund der finanziellen Unterschiede (durchschnittlicher rumänischer Monatsgehalt ist 400€) gönnt sich ein Mitteleuropäer öfter Dinge, die er daheim seltener hat: ein reichhaltiges Mehrgänge- Menü für unter 10€ oder eins der vielen verlockenden Taxis, weil man innerhalb der Stadt selten über 2€ zahlen muss. Außerdem bin ich recht viel in andere Regionen Rumäniens gereist, weil man mit Bus und Zug zwar oft verwirrend organisiert, aber sehr günstig reisen kann. So konnte ich also dem Dracula-Mythos auf den Grund gehen (und herausfinden, dass eigentlich eine recht unspannende Wahrheit dahinter steckt), an das Schwarze Meer reisen und in transsilvanische Deutsche Städte wir Hermannstadt und Kronstadt (die immer noch von den rumänischen Sachsen besiedelt sind) fahren. Aber auch zum herrlich schönen Donaudelta (um nach Pelikanen zu suchen) und mit Nachtzug nach Istanbul konnte ich gelangen. Der Alltag in Bukarest gestaltet sich ähnlich wie in Deutschland: man kauft in der belgischen bzw. französischen Supermarktkette oder auf riesigen Märkten ein, geht am Wochenende in das begehrte, lebhafte Lipscani-Viertel (Leipziger Viertel) und gern auch Paddeln oder Schlittschuhlaufen in Parks oder den riesigen Shoppingcentern. Allerdings wird man komisch beäugt, wenn man im Winter gern mal ein wenig schwimmen gehen möchte – das kann man nämlich nur im Jahresabo im Fitnessclub.
Fazit
Abschließend kann ich sagen, dass mir dieses Auslandssemester sehr gut getan hat. Auch wenn es manchmal Momente gab, in denen die Sprachkenntnisse oder die rumänische nicht-vorhandene Logik einen Strich durch die Rechnung macht oder man korruptes, unverständliches Verhalten (insbesondere gegenüber mitteleuropäischen naiven Fremden) bemerkt, dann war es doch eine gute Entscheidung nach Rumänien zu gehen. Ich konnte sehr viel mehr über dieses spannende Land erfahren: insbesondere über die Geschichte, Gegenwart und vielleicht Zukunft der Rumänen, verbunden mit ihrem Potenzial an Kultur, der immer mehr Beachtung geschenkt wird. Auch meine Selbstständigkeit, die Englisch-Sprachkenntnisse und gestalterische Kompetenzen fühlen sich verbessert an. Es gab sehr viele interessante Gespräche und internationale Zusammenkünfte mit anderen ausländischen Studenten und Rumänen, dabei anregenden Austausch über eigene und fremde Kulturen.
Danke Herr Erasmus.