Koninklijke Academie van Beeldende Kunsten Den Haag 2010/2011
doch noch ein Semester im Ausland zu verbringen. Dass ich mich bereits im Masterstudium befand, gestaltete die Suche nach einer passenden Universität nicht gerade einfach. Denn passende Masterstudiengänge sind rar und vor allem nicht immer für Austauschstudenten zugänglich. Besonders zog es mich in die Niederlande, aufgrund der langen Tradition in Grafikdesign und Typografie. Das, was ich
von dort an Gestaltung kannte, kam mir irgendwie anders vor – befreiter, frecher
und mutiger. Davon wollte ich mir gerne eine Scheibe abschneiden.
So setzte ich letztendlich alles auf eine Karte und bewarb mich für ein Semester im Bachelor des Graphic Designs an der KABK in Den Haag – und wurde angenommen!Ich landete mit 4 weiteren Erasmusstudenten und zwei neuen internationalen
Studenten in der Klasse 3A, wo wir sehr herzlich aufgenommen wurden. Ja, ich
habe bewusst das Wort »Klasse« gewählt, denn ich habe das Studium dort als
recht verschult erlebt. Generell ist der Studienplan ziemlich fest und vor allem
straff gestrickt. 7 Kurse die Woche mit nicht zu verachtenden Aufgabenstellungen,
sowie am unterrichtsfreien Mittwoch IST-Credits durch eigene freie Projekte oder
Programmkurse sammeln, dazu noch ein Portfolio herstellen und sich für das anstehende Praktikum bewerben… Im Vergleich zu meinem Masterstudium in Kiel,
in dem ich in der Regel an einem großen Projekt arbeite und auch in Erinnerung
an meinen Bachelor war das ein erheblicher Unterschied im Arbeitspensum und
ich habe großen Respekt für die Leistung der Kommilitonen dort.Dazu muss ich sagen, dass es uns Austauschstudenten glücklicherweise frei
gestellt wurde, welche Kurse wir belegen wollen und wir auch ermutigt wurden,
in andere Bereiche hineinzuschnuppern. Jedoch sollte man seinen persönlichen
Studienplan mit den Verantwortlichen absprechen und nicht zu faul sein, denn es
wird erwartet, dass man am Ende des Semesters bei der individuellen Präsentation etwas vorweisen kann.Neben der Uni habe ich mir die Zeit genommen um ein wenig Den Haag und
die Umgebung kennenzulernen. Den Haag gehört zwar nicht wirklich zu den
schönsten Städten der Niederlande, aber es hat seinen ganz eigenen Charme. Die
internationale und geschäftige Atmosphäre bemerkt man sobald man in die Stadt
kommt. Große moderne Architektur rund um den Bahnhof trifft auf ein paar
traditionelle niederländische Straßenzüge und die typischen Grachten. Man lernt
mit der Zeit seine eigenen Lieblings-Fleckchen kennen, die schönsten Cafés, Parks und Plätze, die netten kleinen Straßen, wo der Einzelhandel noch lebt, der riesige Markt (angeblich größter Europas) mit internationalem Flair und natürlich der
wunderschöne Nordseestrand mit seinen Dünen, an dem man letztendlich selbst
die hässlichen Bauten Scheveningens lieben lernt!
Einziges Manko an Den Haag
ist, dass man wirklich nicht besonders gut feiern kann! Die „Gezelligkeit“ der
Niederländer und den Grote Markt in allen Ehren, aber in Sachen Nachtclub und
Ausgehzeiten könnte Den Haag noch eine verlässliche Lokalität gebrauchen. Doch
in den Niederlanden sind andere Städte nie weit entfernt und die Züge nicht so teuer, so dass wir auch mal nach Amsterdam auf ein Konzert gefahren sind oder nach Eindhoven zur Design Week, nach Utrecht, Rotterdam oder Delft…Bemerkenswert und wie ich es mir von den Niederlanden erwartet habe, ist das
Bewusstsein für Kunst und Design ein anderes und in höherem Maße vorhanden
als in Deutschland. Bemerkbar macht sich das durch viele Museen und kleine
Galerien, äußerst viele Möbel- und Designgeschäfte, interessante Architektur und natürlich die Gestaltung all der Dinge des Alltags – auch wenn nicht durchweg
geschmackvoll – zumindest vorhanden! Auch in Sachen Freizeitgestaltung hätte
man sich nicht nur in Den Haag selbst, sondern auch in erreichbarer Entfernung
jedes Wochenende zu einem kulturell interessanten Ereignis begeben können.Die Zimmersuche in Den Haag gestaltete sich als nicht ganz einfach und mit
teils abenteurlichen Angeboten. Doch ich habe letztendlich in ein Gesuch auf
kamernet.nl investiert und hatte damit schnell Erfolg!
Das Wohnen in Den Haag
ist teurer als in Kiel, aber man kann Glück haben. Ich war richtig zufrieden mit
meiner Unterkunft – einem typischen kleinen Reihenhaus samt Garten nahe der
Uni zusammen mit 5 größtenteils einheimischen Studenten.
Ein Zettel am schwarzen Brett der Uni und öfter mal ein Blick darauf haben allerdings
auch schon zum Erfolg geführt, ebenso bei der obligatorischen Anschaffung
eines »Omafiets«, auf dem sich gemeinhin die Holländer fortbewegen.
Das Fahrradfahren im morgendlichen Verkehr auf dem Radweg soll geübt sein,
ansonsten birgt das Leben in Holland jedoch keine Tücken in sich. Die Sprache ist
besonders für Norddeutsche leicht zu lernen. Doch eigentlich wird einem kaum
Gelegenheit dazu gelassen, da fast jeder Niederländer fließend Englisch spricht.
Zur Not redet man deutsch und wird trotzdem verstanden. Ich habe die Niederländer
als sehr offen, interessiert und freundlich erlebt, eben ein gezelliges Volk!
Mein eigenes Fazit von diesem Semester ist, dass es sich auf jeden Fall gelohnt
hat! Ich fand es sehr interessant einen Einblick in eine der niederländischen Designerschmieden zu bekommen, habe mich an der Kabk sehr wohl gefühlt und gut
zurechtgefunden. Vor allem bezüglich Schriftgestaltung habe ich dazu gelernt!
Allerdings hatte ich das Gefühl, dass normale Studenten an der KABK aufgrund
der Masse an Aufgaben Kompromisse machen müssen. Einerseits gibt einem die
Vielzahl der Projekte sicherlich Organisationskompetenzen für den späteren Berufsalltag, andererseits hatte ich das Gefühl, dass die Qualität litt, da aus zeitlichen Gründen oft die erst beste Idee reichen musste und eine Vertiefung in die Projekte in der Regel nicht möglich war. Beobachten konnte ich jedoch auch eine sehr freie und kreative Herangehensweise, die offensichtlich in den ersten beiden Jahren des Studiums an der KABK sehr gefördert wird und von der ich mir ja vielleicht ein Scheibchen abschneiden konnte!
Hannah Opitz, Master Kommunikations Design, Kabk Den Haag WS 2010/11