Linz als Erasmus Ziel war eigentlich mein Plan B. Da es in Eindhoven jedoch nichts wurde, musste ich mich nun damit zufrieden geben, nach Österreich zu gehen und dafür erst einmal ausgelacht zu werden. Ich kann aber nur sagen, dass ich nichts daran bereut habe, nach Linz gegangen zu sein.
Auch für Linz musste ich die üblichen Dokumente wie Lebenslauf, Motivationsschreiben und Portfolio einreichen. Nachdem ich die Zusage hatte, was wie ich glaube in Linz nicht allzu schwierig ist, habe ich mich um alle weiteren wichtigen Dinge gekümmert. Ich kann jedem eine Online Bank empfehlen, da man hier meist umsonst an allen Geldautomaten im In- und Ausland abheben kann, was mir sehr zugute kam. Auch eine Impfung gegen Zecken sollte man sich vorher nochmal abholen, denn in Österreich wird gewandert und auch ich habe mehrere Zecken abbekommen.
Ich reiste im Flugzeug nach Linz, was mit insgesamt 3 Stunden im Vergleich zum Zug wirklich schnell und komfortabel ist. Zudem ist es gerade mal 30€ teurer. Einzig und alleine die Tatsache, dass man nur 20kg mitnehmen durfte, war für mich eine echte Herausforderung, da doch auch Sachen wie der Laptop oder mehr als ein Paar Schuhe mit müssen. Wer also mit mehr Gepäck reisen möchte, sollte doch den Zug nehmen.
In Linz war ich zunächst im Studentenheim untergebracht, was sich allerdings als sehr teuer entpuppte, nachdem ich die schreckliche, kaum vorhandene Stockwerks-Küche entdeckte. Ich hatte das Glück kurz nach Ankunft mit einigen meiner zukünftigen Kommilitonen auf einen dreitägigen Ski-/Snowboardausflug zu fahren. Drei Tage mit 12 Österreichern auf einer Hütte in den Bergen eingesperrt zu sein, war wirklich unglaublich lustig und interessant, inklusive Sprachkurs von dem ich dachte ich bräuchte ihn nicht…Ein paar Tage später wurde mir dann direkt ein WG-Zimmer von einer Kommilitonin angeboten, was mich für die nächsten drei Monate (den angefangenen Monat März musste ich noch im Studentenheim leben) in die legendäre Scionic-WG beförderte. Im Nachhinein das Beste, was mir hätte passieren können! Dort lebte ich nun mit zeitweise 6 weiteren Kommilitonen aus dem Industriedesign zusammen.
Mein erster Tag in der Uni war schon ein Highlight, da scheinbar jeder wusste wer ich bin. Der Industriedesign Bereich, mit dem eigenen Namen „Scionic“, welcher eine bestimmte Art des Industriedesign beschreibt, die Technik, Wissenschaft und Bionik miteinander vereint, ist eher überschaubar. Auf Grund dessen es sich scheinbar sehr schnell herumgesprochen hat, dass eine Erasmus Studentin aus Deutschland kommt. Ich wurde von fast allen mit Handschlag und Namen begrüßt. Von dem Aufenthaltsraum mit zwei Couchen und einer kleinen offenen Küche gingen die Ateliers zu allen Semestern ab. Dort war stets eine sehr freundliche und ausgelassene Stimmung, wohingegen man in den Ateliers auch super seine Ruhe zum Arbeiten haben konnte. Oft wurde gemeinsam in der Uni gekocht oder der Versuch gestartet, den besten Kaffee Österreichs zu kochen. Auch das Skateboard hat auf den langen Fluren nicht gefehlt. Alles in allem war es eine sehr familiäre und gemütliche Atmosphäre.
Der Unterricht selbst ging eher schleppend los. Ich wurde in allen Kursen sehr freundlich aufgenommen und direkt wie eine Dazugehörige behandelt. Bei Fragen habe ich viel Hilfe von meinen Kommilitonen bekommen. Die eigentlichen Semesterprojekte starteten etwas später. Was ich sehr spannend fand, war das semesterübergreifende Zusammenarbeiten. Zu Beginn werden 3-4 verschiedene Projekte in so genannten Kick-Off Meetings vorgestellt, in die sich dann jeder eintragen kann. So kommt es Zustande, dass alle Semester, von Bachelor bis Master, durcheinander an einem Projekt arbeiten, was ich als sehr positiv empfand.
Zu der Art und Weise des Scionic Industriedesign kann ich, wie oben schon erwähnt, sagen, dass es wirklich sehr technisch ist. Es wird unglaublich viel Wert auf die perfekte und richtige Visualisierung sowie auf die Arbeit mit CAD Programmen gelegt. Handwerklich wird vor allem im ersten Semester gearbeitet, danach fällt es jedoch leider fast vollständig weg, was ich sehr schade finde. Auch die gebäudeinterne Werkstatt ist eher spärlich ausgestattet. Die großen Werkstätten befinden sich in dem circa einen Kilometer entfernten Unigebäude der Grafiker. Modellbau ist quasi freiwillig. Auch zeichnerisch wird eher am PC statt auf dem Papier gearbeitet. Was ich als sehr positiv hervorheben kann, ist die sehr nahe Zusammenarbeit mit unterschiedlichen Firmen. Hier wird sehr realitätsnah verhandelt und Projekte teilweise firmenintern vorgestellt und ab und zu sogar realisiert. Des Weiteren war es für mich kein Problem, auch Kurse bei anderen Designbereichen mitzumachen. So zum Beispiel den Marketing und Medien Kurs für die Master Studenten des Grafikdesign, den ich nur empfehlen kann!
Nach der Jause, die üblicherweise irgendwo in der Uni stattfand, gab es dann meistens auch das erste Bier aus dem uniinternen Bier-Kühlschrank. Welcher Student träumt nicht davon? Das beschreibt eigentlich auch ziemlich gut die lockere Art der Österreicher. Linz ist eine Bar-Stadt. Man hat wirklich viele Möglichkeiten, abends gemütlich ein Bier zu trinken und am Wochenende, welches in Linz üblicherweise Mittwochabend beginnt, tanzen zu gehen. Auch kulinarisch hat Linz einiges zu bieten! Eines der besten Restaurants befindet sich im OK Zentrum, in dem auch oft tolle Ausstellungen sind sowie ein Kino, welches meist Filme in Originalfassung zeigt. Rund um Design und Kunst kann man sich interessante Ausstellungen im Lentos angucken. Das wohl berühmteste Gebäude in Linz ist das Ars Electronica, um dessen Besuch man als Design Student nicht drum rum kommt. Auch außerhalb der Museen gab es viele Ausstellungen, Verni- und Finissagen der anderen Kunst und Design Studenten.
Durch den direkten Kontakt mit meinen Kommilitonen habe ich eher weniger an den Erasmus Treffen teilgenommen. Es gab eine Facebook-Gruppe sowie einen E-Mail Verteiler für Erasmus Studenten, über die man stets über Treffen oder Ausflüge informiert wurde.
Alles in allem ist Österreich ein super Land für einen Erasmus Austausch. Man mag es kaum glauben, aber auch sprachlich kann man noch viel dazu lernen! Die Österreicher sind wirklich sehr herzliche und muntere Menschen, die viel Spaß beim „Jausnen“ und Bier trinken haben. Menschlich kann man eine Menge dazu lernen, aber auch der akademische Anspruch bleibt nicht auf der Strecke. Die nahe und realitätsgetreue Zusammenarbeit mit Unternehmen, die an die Uni kommen, bereitet einen super auf das Arbeitsleben vor. Zwar wird man für ein Auslandssemester in Österreich wirklich ausgelacht, aber ich würde es jederzeit wieder machen und kann es nur jedem empfehlen.
Lisa Reichardt