Herausragend ist die Möglichkeit der Nutzung der Origo Studios im Kurs Practical Motion Picture Arts. Hierzu hat die Universität ein kleines, jedoch gut ausgestattetes Studiogebäude belegt, in dem praktische Übungen zur Beleuchtung und Kamerahandhabung abgehalten werden können. Hier werden systematisch Grundlagen für den Spielfilmdreh am Set geliefert.
Das Studio am Rande der Stadt hat zudem der Exklusivität wegen seinen Reiz. Aufgrund der vielen groß-budgetierten Hollywoodproduktionen ist man verpflichtet eine Verschwiegenheitserklärung zum dortigen Geschehen zu unterschreiben. Zum Zeitpunkt meines Aufenthalts war gerade der Dreh der Fortsetzung des Science Fiction-Klassikers Blade Runner in vollem Gange.
Der Kurs Introduction to Dramaturgy führt in die Konzeption des Drehbuchs ein: welche Szene fördert die Charakterformung? Was ist der Unterschied zwischen einer Charakter-getriebenen und einer Handlungs-getriebenen Geschichte?
Gewiss sind dies konventionelle Parameter, doch haben sie (erneut) grundlegende Fragen zur Dramaturgie in meinen und anderen Filmen aufgeworfen.
Es waren somit Kurse, die allesamt ein sehr klassisches Verständnis vom Spielfilm vermittelten. Positionen des Experimentalfilms (einmal besprachen wir den Umgang des Tons in Chris Markers La Jétee) oder gar der Videoinstallation wurden nicht präsentiert. Jedes Mal, wenn ich meine „Herkunft“ aus der „Freien Kunst“ erwähnte, verortete man mich fachlich zu etwas mit einer fremdartigen Tiergattung Vergleichbarem. Das hielt mich aber nicht davon ab, in der Studio-Praxis und anderen Kursen mit den Grundvorgaben zu experimentieren.
Die Professoren ließen dies zu. Im Kurs AVID-Editing, in welchem wir fremdes Rohmaterial zu einem fertigen Film schneiden sollten, erhielt ich durch die eine oder andere Missachtung des Drehbuchs dafür eine gewisse Anerkennung, die sich auch als Lob hätte deuten lassen können.
Ein anderes Mal wiederum geriet ich wegen einer komplizierten Kameraführung, die wieder und wieder nicht gelingen wollte, mit einem Studenten aneinander.
Unsere beiden vorderen Stirnlappen sind seitdem nicht mehr dieselben, oder kurz: es kam zur Versöhnung.
Wenn der Diskurs zur zeitgenössischen Kunst fehlt (hier wäre es mir an der Ungarische Akademie der Künste sicher anders ergangen), muss man sich behelfen.
Natürlich kann man sich mit ein wenig Mühe mit Kunststudenten in Verbindung setzten – was ich schließlich auch tat – doch Ausstellungen sind wichtig. Sie sind wichtig für das gepeinigte Gemüt und die in Ernsthaftigkeit verrenkte Seele (dies ist nur eine Kostprobe des ungarischen Pathos).
Hierzu besuche man das Budapester Ludwig Museum, es präsentiert ungarische wie internationale Positionen. Doch gerade kleinere Galerien, wie das Chimera Project, die Trapez Gallery oder die INDA Gallery sind nicht nur interessante kleine Ausstellungsräume, sie lohnen möglicherweise auch eine Bewerbung mit der eigenen Arbeit.
Die Verwaltung der Universität stand bei Fragen zu Kursen, Punktverteilungen und Prüfungen jederzeit helfend zur Seite. Auch die ernannten Mentoren waren mit unzähligen Veranstaltungen und Festivitäten darum bemüht, den Erasmus-Studenten eine immerzu schillernde Vielfalt an Freizeitangeboten zu bieten. Mit Partyangeboten wurde man nahezu tot geschmissen.
Und diese waren natürlich nicht in den günstigsten Etablissements angesetzt – hier war es von Vorteil, bereits einige Lokalitäten zu kennen. Im jüdischen Viertel in Erzsébetváros, dem siebten Bezirk der Stadt, findet sich eine Vielzahl an gemütlichen Kneipen. Hierbei haben viele der langjährigen Ruinenkneipen, wie beispielsweise das Szimpla, viel von ihrer Besonderheit eingebüßt, nicht zuletzt durch die vom Tourismus angehobenen Preise. Als Empfehlungen seien hier das in der Kunstszene oft besuchte Goya, das Fekete Kutya, das Auróra oder die Dzzs! Bár genannt.
Weil mir Sprache und Leute nicht unbekannt sind, habe ich automatisch viel vom politischen Geschehen mitbekommen. Genau genommen verfolge ich dies bereits seit vielen Jahren.
Dort lebende Familienmitglieder berichten immer wieder von den Großtaten der Fidesz Partei und ihrem Führer Orbán Viktor, die die Bevölkerung immer wieder mit launigen Volksfesten und einer gehörigen Portion Nationalgefühl aufmischen. Doch will ich hier nicht in Zynismus und fachliche Unprofessionalität verfallen.
Ein Aufenthalt in Budapest birgt eine aufregende Zeit. Vielleicht auch gerade jetzt.