Mittags findet in der Cafeteria immer ein großer Kampf/das große Warten vor den zwei Mikrowellen der Schule statt. Da die Hochschule keine eigene Mensa, sondern nur viel Snackautomaten besitzt, muss man, wenn man mehr als einen Schokorigel essen möchte, sich selbst Essen mitbringen. Zwar gibt es 5 Minuten zu Fuß entfernt ein Shoppingcenter mit Baguette Läden, Subway und Co., aber für das tägliche Mittagessen wird dies schnell zu teuer.
Das Ésam bekommt relativ wenige Erasmusstudenten, obwohl sehr viele Studenten von dort selbst ins Ausland gehen. Daher musste ich dieselben Kurse und Workshops besuchen, wie die regulären Studenten dort. Diese Kurse waren alle ausnahmslos (bis auf den obligatorischen Englischkurs) auf Französisch und die Professoren haben auch wenig Rücksicht auf Nicht-Muttersprachler genommen. Für mich war das glücklicherweise kaum ein Problem, da ich aus der Schule noch recht gut Französisch sprechen konnte.
Außerdem ist die Struktur des Studiums in Frankreich eine ganz andere. Wo bei uns (in Kiel) viel Wert auf die eigene, praktische Arbeit gelegt wird, liegt in Caen der Schwerpunkt eher auf der Theorie. Ein fester Stundenplan bestimmt die Theoriekurse jeder Woche, sodass man meist vier Tage die Woche von 9 bis mindestens 17 Uhr in Theoriekursen verbringt. Wer danach noch nicht platt ist, kann noch bis 18:30 Uhr in den Werkstätten arbeiten, bis diese schließen, oder bis 22 Uhr an seinem Arbeitsplatz, bevor die gesamte Hochschule abgeschlossen wird. Diese ist nachts, aber auch an Wochenenden oder in den Ferien gänzlich geschlossen.
Die Theorie meines Jahrgangs umfasste einen Kurs zu Ästhetik, einen über die Theorie der Massenmedien, experimentales Kino, Englisch, ein Soundkunstseminar und ein Zeichenseminar. Zusätzlich dazu musste man natürlich noch Referate vorbereiten und Texte oder Hausarbeiten schreiben.
Ich persönlich habe nach zwei Monaten einige Theorieseminare abgebrochen, sodass ich nur noch zwei/drei Tage die Woche Theorie hatte, da ich die Möglichkeiten der offenen Ateliers dort mehr nutzen wollte. So fehlten mir zwar am Ende eine Handvoll Credits, aber ich habe wichtige, praktische Erfahrungen sammeln können.
Trotz all dieser Theorie finden in einer Woche am Ende eines jeden Semesters in Caen die Acchrochages statt. Hierbei präsentiert man all seine praktischen Arbeiten des Semesters in einer Art kleinen Ausstellung in einem Raum eine halbe Stunde lang (natürlich auf Französisch) vor einer dreiköpfigen Jury. Diese entscheidet durch ihre Notengebung darüber, ob die französischen Studenten das Semester bestehen oder nicht.
Abgesehen von dem Hochschulkosmos ist Caen mit Sicherheit eine ganz schöne Stadt in etwa der Größe von Kiel. Allerdings war es in der Zeit, in der ich dort war, etwa 90% schlechtes Wetter und ansonsten war die Stadt belagert von unzähligen Baustellen, da das komplette Straßenbahnnetz umgestellt wird.
Ansonsten ist Caen eine wirklich schöne Stadt, mit einer süßen, alten Fußgängerzone, vielen, vielen alten, schönen Kirchen, vielen kleinen Bars, einer riesigen alten Burg mitten in der Stadt, einer Art kleiner Förde und, durch die große Hauptuniversität mit den vielen Studenten, einem sehr belebten Stadtleben.
Von dort aus kann man Paris mit der Bahn oder dem Fernbus in 2/2,5 Stunden erreichen, das Meer liegt sehr nahe und auch in der näheren Umgebung befinden sich super viele, schöne Normandie-Städte.
Letztendlich habe ich in einer eigenen, kleinen Wohnung in einem Studentenwohnheim gewohnt, was mir super gut gefallen hat und auch für die kurze Zeit echt unkompliziert war. Die Hochschule konnte ich von dort aus, wie eigentlich alles andere, einfach mit dem Bus, dem Fahrrad oder zu Fuß erreichen.
Alles in allem hat das Semester in Caen mir persönlich gut gefallen. Inhaltlich bin ich mit meiner künstlerischen Arbeit sehr viel weiter gekommen, konnte viele neue Dinge ausprobieren, neue Meinungen und Anregungen sammeln und meine Französischkenntnisse verbessern. Auf sozialer Ebene ist es hingegen ein wenig schwierig, da die französischen Studenten eher unter sich bleiben und die Konversationen häufig über ein nettes „Hallo. Wie geht es dir?“ nicht hinaus gehen. Doch mit etwas Zeit und Geduld findet man auch dort sehr nette Freunde.