Die Studentenwohnheime haben verschiedene Angebote an Unterkünften, je nachdem ob man als Familie, Pärchen oder allein lebt. Für ein Zimmer mit Vollbad bezahlt man ca. 550€ warm. Wenn man auf ein eigenes Bad verzichten kann, dann bekommt man hier auch ein Zimmer ab ca. 470€. Preiswerter geht es in Oslo kaum.
S T U D I U M
Das Studium an der KHiO war das komplette Kontrastprogramm zu meinen Erfahrungen an der Muthesius. Es gibt keine Klassen, es gibt keine ProfessorInnen. Man studiert dort in sogenannten Group Crits und wird von seinem Main Advisor betreut. Im Grunde genommen unterscheidet es sich dann doch nicht so sehr von Deutschland, aber alles hat einen anderen Namen und ist hier zwei, drei Nummern kleiner.
Man trifft sich ungefähr alle sechs Wochen zu diesen sogenannten Group Crits mit einer Gruppe von zehn Studierenden, die vom selben Main Advisor betreut werden – ganz egal, ob man Bachelor- oder Masterstudierender ist. Mit dieser Gruppe geht man dann von Studio zu Studio, bis jeder seine Arbeiten präsentiert und seine Fragen geklärt hat. Ich wurde sehr herzlich an der KHiO von meinen Kommilitoninnen begrüßt und bekam innerhalb von wenigen Tagen auch einen Arbeitsplatz im Atelier. Dieser war zwar nicht riesig, aber vollkommen ausreichend. Meine KommilitonInnen aus dem Master waren mit überragender Mehrheit international und kamen aus der ganzen Welt – Norwegisch sprechen musste man an der Hochschule also nicht. Was die Freie Kunst anging, wurden die Seminare und Tutorials auf Englisch angeboten, andernfalls wurde extra darauf hingewiesen, wenn norwegisch Kenntnisse erforderlich wären. Von der Hochschule aus gab es trotzdem einen Norwegisch Kurs mit sechs Semesterwochenstunden, an dem man teilnehmen durfte.
Obwohl die Werkstätten in Oslo sehr gut ausgestattet sind, stellten eben diese anfangs ein kleines Problem dar. Leider wusste ich nicht, dass ich mich bereits vor meiner Anreise für die notwendigen Werkstattkurse hätte anmelden müssen/können. Als ich dann mein Atelier bezog und an der Hochschule ankam, war es leider schon zu spät – die Kurse waren voll. Und ohne Kurs, keine Werkstatt. Dann ist man leider die ersten Monate darauf angewiesen, dass einem die KommilitonInnen die Türen aufmachen und kurz zeigen, wie die Maschinen funktionieren. Aber um sich diese ganzen Umstände zu ersparen, sollte man unbedingt schon vor der Anreise die Hochschule in Oslo kontaktieren und die Anmeldezeiträume der Werkstattkurse erfragen. Was ich persönlich vermisste, war der künstlerische Austausch unter den Studierenden.
Wer nicht in deinem Group Crit ist, dessen Arbeit siehst du auch kaum. Beziehungsweise versperren einem Stellwände im Atelier die Sicht auf die Arbeit der KommilitonInnen. Jeder sitzt in seinen eigenen vier Wänden und arbeitet so vor sich hin, aber man tauscht sich mit seinen Ateliergenossen wenig aus.
Was das Thema Freizeit und Kultur angeht, hat Oslo deutlich mehr zu bieten als Kiel. Neben dem Munch- und Nationalmuseum sowie dem Astrup Fearnley, gibt es viele kleinere Offspaces und Galerien. Die Kunstszene in Oslo ist deutlich größer als in Kiel – es ist ja auch die größte Stadt von Norwegen – doch man merkt wie hier versucht wird, an den Rest der Welt anzuschließen. Das soll nicht unbedingt etwas schlechtes sein, aber manchmal beschlich einen der Verdacht, dass man sich hier umso dringlicher mit den großen Fragen des Weltgeschehens auseinandersetzen muss, damit man mit dem Rest der Welt mithalten kann. Auch wenn Thematiken wie Rassismus, Sexismus und Klassismus hier offen in der
Kunstszene behandelt werden, zeigen die Sammlungen der Museen und Skulpturenparks, dass auch in der Osloer Kunstszene dieselben Personen bestimmen was und wer gezeigt wird, wie im Rest der Welt. Große Industrielle bauen sich hier eigene Museen und zeigen mit Vorliebe große amerikanische Namen.
L E B E N
Was das Leben angeht, ist Oslo leider nicht günstig. Auf Alkohol, Tabak und Zucker gibt es hier hohe Steuern. Da schmeckt das Glas Aperol für 17€ nur halb so gut. Trotzdem kann man günstig in Oslo einkaufen, man muss halt nur wissen wo. Die Discounter Kiwi und Rema sind preislich unschlagbar was Grundnahrungsmittel angeht, aber Obst und Gemüse kosten hier ein Vermögen. Für preiswertes Gemüse empfiehlt sich Grönland, ein Stadtteil unweit vom Hauptbahnhof entfernt. Dort gibt es auch die besten Second-Hand-Läden, falls man Bedarf nach einer neuen Garderobe verspürt. Für alles andere wie Küchenutensilien, Möbel etc. kann man finn.no benutzen! Die App funktioniert ähnlich wie ebay und dort findet man immer wieder gute Sachen zu kleinen Preisen.
Wenn man Materialien für seine Arbeit braucht, ist Oslo allerdings schwierig. Was man hier als Baumarkt bezeichnet, würde man in Deutschland eher Karstadt nennen. Man muss in Oslo schon zum Baustoffhandel gehen, um einem Sack Zement zu bekommen. Leider liegen diese Märkte außerhalb der Stadt und der Transport ist schwierig. Für mich waren diese sechs Monate in Oslo eine wichtige Erfahrung. Ich wäre gerne noch länger geblieben, auch wenn man tief in die Tasche greifen muss, um hier dreidimensional zu arbeiten. Aber für mich ging mit dem Erasmus in Oslo ein Traum in Erfüllung.
Der Traum endlich mal aus Deutschland, aus Kiel und meiner Wohlfühlzone rauszukommen und einen ganz neuen Blick auf das zubekommen, was ich eigentlich tue – egal ob in Oslo oder in Deutschland. Neben vielen großartigen Momenten und wunderbaren Menschen, die ich hier in Oslo erlebt und kennengelernt habe, gibt es aber auch Punkte, die ich an Norwegen nicht vermissen werde. Obwohl ich vorher immer dachte, dass ich gut mit der skandinavischen Mentalität klarkommen könnte, habe ich doch gemerkt, dass eben diese Mentalität, vieles komplizierter macht. Wirklich verbindlich auf Leute verlassen, konnte man sich leider nicht. Minuten vorher wurden lange geplante Projekte abgesagt oder noch einmal um eine Woche verschoben. Wenn man schnell eine Antwort per Mail braucht, kann man sich darauf einstellen, dass man zwei Tagen warten muss.
Vielleicht bin ich doch deutscher als ich dachte… aber die norwegische Mentalität impliziert leider, dass man nicht spontan ein Projekt oder eine Idee umsetzen kann. Ob in der Kunst oder Privat. Diese Entschleunigung war anfangs angenehm, wurde später aber zehrend. Im Erasmus war mir noch nie zuvor bewusst, wie begrenzt die Zeit im Studium ist und man doch trotzdem alles ausprobieren will.
Ich werde die horizontale Hierarchie an der Schule, den herzlichen Umgang im Atelier, das interdisziplinäre Arbeiten und das Leben in der Stadt umgeben von großartiger Natur sehr gut in Erinnerung behalten.
Ich kann KHiO besten Gewissens weiterempfehlen! Man muss nur ein, zwei Sachen vorher wissen, damit man hier das volle Potenzial der Schule nutzen kann. Gerade die Internationalität der Studierenden und Lehrenden war ein riesiger Pluspunkt, denn es kamen unterschiedlichste Blickwinkel aus unterschiedlichsten Ländern zusammen und egal ob man über Kunst oder etwas Privates sprach, es war immer bereichernd.
Es half mir in meinem Studium sehr weiter aus der Komfortzone Kiel herauszukommen. Die Konfrontation mit gewissen Fragen ist im Erasmus unvermeidlich. Was sind meine festgefahrenen Gewohnheiten im künstlerischen Prozess?
Wie befrage ich meine Arbeit selbst, wenn Input nur alle sechs Wochen kommt? Wie sehr bin ich an meine Hochschule in Kiel gebunden und was mache ich, wenn ich die Muthesius irgendwann verlasse?
Welche künstlerischen Medien habe ich bis lang eigentlich nie benutzt und warum? Wie strukturiere und organisiere ich meine Arbeit in einem Land, in dem ich keine Ahnung habe, wo ich was herbekomme/kaufen kann?
Nach diesen sechs Monaten beginnt man seine Arbeit, das eigene Handeln, das gewohnte Umfeld in Deutschland nochmal vollkommen neu zu sehen und fragt sich: Ja… Warum mache ich das eigentlich nicht alles mal anders?