Nachdem ich bei der Fernweh-Infoveranstaltung war, wusste ich zwar, dass ich ein Erasmussemester machen wollte, doch wohin? Das habe ich dann ziemlich kurzfristig und aus dem Bauch heraus entschieden – Die Wahl fiel auf Porto.
Vorbereitung/Unterkunft
Dank Frau Zieschang gab es weniger Papierkram zu erledigen, als ich erwartet hatte. Die größte Herausforderung war es, eine Unterkunft zu finden. Fündig geworden bin ich schließlich in einer Facebookgruppe für Erasmusstudenten in Porto. Erst war ich skeptisch, mich nur auf mein Bauchgefühl und die Bilder im Internet zu verlassen, aber ich hatte Glück: Die Wohnung war sehr gemütlich, mit Garten, 5 Minuten von meiner Uni entfernt und meine beiden Mitbewohner sind mir während meiner Zeit in Porto sehr ans Herz gewachsen.
Studium an der Gasthochschule
Gleich am ersten Tag hatte ich die erste Begrüßungsveranstaltung. Vieles wurde von der ESN-Gruppe organisiert. Die besteht aus Studenten, die sich ehrenamtlich um die Erasmusstudenten kümmern und viele Trips und Partys organisieren. Auch wenn ich später kaum noch bei solchen Veranstaltungen dabei war, ist es doch für den Anfang eine große Hilfe gewesen.
An der Belas Artes – meiner Fakultät – war ich etwas orientierungsloser. Die erste Woche habe ich so viele Veranstaltungen wie möglich besucht, um mich zu entscheiden, welche Kurse ich belegen möchte. Zum Glück hatte ich mich für ein Freisemester entschieden und musste deshalb nicht auf eine bestimmte Anzahl Kredits kommen. So hatte ich die Freiheit, mich nur für zwei Kurse zu entscheiden: Zeichnen (zwei Mal pro Woche) und Illustration (ein Mal pro Woche).
Ich war anfangs etwas irritiert von den Professoren, die eher zurückhaltend reagierten, wenn ich mich erkundigt habe, ob ich an ihrem Kurs teilnehmen kann. Einerseits lag es vielleicht daran, dass nicht alle gutes Englisch sprechen, letztendlich wohl eher an schlechten Erfahrungen mit anderen Erasmusstudenten – meine Zeichenlehrerin war ganz überrascht, dass ich tatsächlich regelmäßig zu ihrem Kurs gekommen bin…
Der Unterricht an sich hat mir gut gefallen, auch wenn der Zeichenkurs sehr anspruchsvoll und unglaublich akademisch war. Da wurde erst mal viel Wert auf die Technik gelegt, nicht darauf, einen eigenen Stil zu entwickeln.
Mit meinen Kommilitonen in Kontakt zu kommen, war es etwas schwierig. Auf meine Fragen wurde immer sehr nett und höflich geantwortet, aber ein richtiges Gespräch kam eher nicht zu Stande. Hätte ich Portugiesisch gesprochen, wäre es vielleicht besser gelaufen, denn die meisten waren sehr unsicher im Englisch-Sprechen. Aber die meisten Portugiesen sind auch allgemein eher ruhig und nicht so „südländisch-offen“ wie ich erwartet hatte. Dafür aber unglaublich hilfsbereit!
Sprache
Um die Sprache zu lernen, hatte ich mich für einen Intensivkurs an der „Faculdade de Letras“ entschieden: Drei Stunden jeden Abend, einen Monat lang. Das kann ich jedem empfehlen, auch wenn es anstrengend war.
Die aller wichtigsten Grundlagen konnte ich danach. Allerdings hat mir die nuschelige Aussprache der Portugiesen einen Strich durch die Rechnung gemacht: Ich konnte zwar im Laden erklären, was ich haben will, aber leider die Rückfragen der Verkäufer nicht verstehen.
Ich war aber auch nicht so sehr auf das Portugiesisch-Sprechen angewiesen. Die Kurse waren zwar auf Portugiesisch, die Professoren oder ein Kommilitone haben mir aber immer auf Englisch weitergeholfen und der Großteil war sowieso praktisches Arbeiten. Und unternommen habe ich meistens etwas mit anderen „Ausländern“, sodass ich zwar mein Englisch verbessern konnte, mein Portugiesisch aber auf der Strecke geblieben ist.
Freizeit
Ich hatte zwar für den Zeichenkurs viel zu tun, doch nachdem der Sprachkurs vorbei war, hatte ich dann mehr Freizeit. Die habe ich dafür genutzt, mir Portugal anzugucken. Gerade im Norden gibt es viele schöne Orte und der Naturpark Gerés oder Serra de Estrela sind wunderbar zum Wandern gehen!
Aber auch in Porto wird es nicht langweilig: Allein schon durch die keinen Gässchen zu gehen oder am Fluss zu sitzen, ist traumhaft! Und auf keinen Fall verpassen darf man einen Fado-Nachmittag. Fado ist der typisch portugiesische Musikstil: Ein einzelner Sänger trägt Lieder vor (meist sehr melancholische) und wird von einer oder mehreren Gitarren begleitet. So etwas wird für Touristen in überteuerten Restaurants angeboten, viel schöner ist es aber, es sich in einer gemütlichen kleinen Kneipe zwischen lauter Einheimischen von Amateuren anzuhören.
Da Porto voller Studenten ist, ist auch das Nachtleben nicht zu verachten, wenn man nach einer „Testphase“ seine Lieblingsplätze gefunden hat.
Fazit
Das Semester in Porto hat meine Erwartungen übertroffen! Ich habe nicht nur eine andere Kultur und tolle Menschen kennen gelernt, sondern hatte auch eine richtige Auszeit, da ich außer den beiden Kursen keine Verpflichtungen hatte. Ich kann nur empfehlen, das Semester als freies Semester zu machen, denn so braucht man sich nicht zu viele Gedanken um die Uni zu machen, sondern kann sich darauf konzentrieren, die ganzen neuen Eindrücke aufsaugen.
Am meisten überrascht hat mich aber, wie sehr ich plötzlich mein eigenes Land zu schätzen weiß. Nicht nur, weil ich mich nicht so ganz an die gemütliche Art der Portugiesen gewöhnen kann (wenn der Unterricht offiziell 8:30Uhr beginnt, geht es 9:00Uhr los). Man bekommt auch direkt mit, dass die meisten jungen Leute nach dem Studium das Land verlassen müssen, um Arbeit zu finden und viele alte Menschen immer noch auf dem Markt arbeiten, weil sie von der Rente nicht leben können…