Ansonsten sind in Belgien Lebensmittel und vor allem Kosmetik-Produkte (Deo, Duschgel etc.) deutlich teurer. Es gibt in Gent aber auch Aldi- und LIDL-Supermärkte, in denen der Unterschied nicht allzu groß ist. Wer im Westen der Altstadt lebt, sollte unbedingt mal bei Colruyt einkaufen – hat ein bisschen was von Lagerverkauf für Lebensmittel, dafür sind hier Bio-Produkte und die ganz normalen »Markenprodukte« verhältnismäßig günstig.
Was ich in Gent fast am meisten zu schätzen gelernt habe, ist die vielfältige Bierkultur. Es gibt in der Altstadt Kneipen (De Dulle Griet – über 300 Biere; Trollekelder), die unfassbar viele, unterschiedliche, größtenteils belgische Biere anbieten, die jeweils im passenden Glas serviert werden. Zwar gibt es auch ein ganz normales Pilsener (Jupiler, Stella etc.), aber viel interessanter sind die zumeist hochprozentigen, »guten« Biere. Hierzu zählen bspw. die Abtei- und Trappistenbiere. Letztere dürfen nur von Mönchen gebraut werden. Die Trappisten-Brauereien kann man weltweit an zwei Händen abzählen, wobei die meisten in Belgien zu finden sind. Zu meinen Favoriten zählen u. a das Rochefort 10 (ein dunkles Starkbier, 11,3%), das blonde Karmeliet (8,4%), das blonde La Chouffe (8%), Delirium-Biere, Straffe Hendrick (9%) und die Biere der Brauerei Chimay.
Wer sich nach einem ausgiebigen Kneipen-Besuch in Feierlaune getrunken hat, hat die Wahl zwischen dem Overpoort – die studentische Partymeile mit etlichen kleinen Bars und Clubs für die jüngere Studenten-Generation – oder den Clubs nahe bzw. in der Altstadt wie das Charlatan, in dem der Altersdurchschnitt eher gemischt ist. Das Charlatan hat mir persönlich am meisten zugesagt, zudem gibt es hier einen sehr schönen Innenhof mit Bar und Kamin. Nach einer durchzechten Nacht schmecken die sowieso schon köstlichen, belgischen Pommes umso leckerer. In den Pommes Buden (die hier Frituur heißen) wird jeder, der noch nicht in Belgien war, Augen machen. Die Auswahl an frittierten Leckereien ist riesig. Das gilt auch für die Saucen (Tipp: Stoofvlees-Sauce, eine Gulaschsauce oder einfach mal durchprobieren).
Selbstverständlich hat die Stadt abgesehen von den Kneipen und Clubs auch historisch und kulturell viel zu bieten. Besonders bekannt ist natürlich der Genter Altar von Jan van Eyck, der in der Sint-Baafskathedraal bestaunt werden kann. Die Altstadt an sich ist aber schon ein Augenschmaus. Während der Einführungswoche erhält man einen ganz guten Einblick in die Geschichte Gents und ebenso in das museale Angebot. Je nach Ausstellung ist das Designmuseum und das S.M.A.K. (Museum für zeitgenössische Kunst) sehr zu empfehlen. Jazz-Fans kommen in Gent auch nicht zu kurz: In der Kneipe Hot-Club finden unter der Woche fast täglich Live-Konzerte statt. Der Eintritt ist häufig (ebenso wie in den meisten Clubs) kostenfrei. Mitte Juli finden jedes Jahr die »Gentse Feesten« statt, die etwa 2.000.000 Besucher begeistert und etliche (ebenfalls kostenfreie) Konzerte im Stadtkern bieten. Wer also die Chance hat, nach Semester-Ende (Mitte, Ende Juni), noch ein wenig länger zu bleiben, sollte die »Gentse Feesten« nicht verpassen. Ohnehin empfiehlt es sich, etwas länger zu bleiben, um nach dem zeitaufwendigen Semester, noch einmal in Ruhe andere belgische Städte wie Brügge, Brüssel, Antwerpen oder auch die Küste zu bereisen. Die Ticketpreise der Bahn sind übrigens deutlich günstiger als in Deutschland. Zudem gibt es in den Ferien und ohnehin für alle bis 26 Jahre sehr gute Angebote. Allgemein dürfen sich alle freuen, die noch nicht 26 sind, da die Eintrittspreise für Museen und touristische Attraktionen deutlich günstiger sind (heißt konkret bspw. 2€ statt 8€).
Wenn man nicht komplett außerhalb des Stadtkerns wohnen sollte, kann man eigentlich alles ganz gut zu Fuß erreichen. Wesentlich angenehmer ist es aber, möglichst früh ein Fahrrad zu leihen, was eigentlich jeder macht. Dies ist hier sehr günstig (Rad mit Gangschaltung, inkl. Versicherung für 6 Monate etwa 60€, günstigste Variante liegt, bei etwa 25€ ohne Versicherung). Nähere Infos hierzu werden einem von der Uni früh genug mitgeteilt. Mit den Bussen bin ich selbst nie gefahren, jedoch wurde mir gesagt, dass diese nicht allzu verlässlich seien. Das gilt meiner Erfahrung nach nicht für die Tram. Super ist zudem, dass Tickets per SMS für 1,80€ gekauft werden können. Ach ja, es gibt in Belgien ganz gute Prepaid-Handytarife. Ich selbst hatte eine SIM von Mobile Vikings, mit deren Angebot ich sehr zufrieden war.
Zu guter Letzt noch ein paar Worte zum Wetter: Was Regen und ganzjähriges Aprilwetter angeht, kann Gent mit Kiel definitiv mithalten, wenngleich die Unbeständigkeit und ein abrupter Wechsel von Sonnenschein zu Regenschauern und wieder Sonnenschein hier fast noch ausgeprägter sind. Besonders viele heiße Tage habe ich auch nicht erlebt, aber immerhin ausreichend, um zumindest einmal mit einem Ganzkörpersonnenbrand belohnt worden zu sein.
Fazit
Auch wenn hier allen Studenten (nicht nur an der Kunsthochschule) recht viel abverlangt wird, kann ich Gent und die Kunsthochschule Luca uneingeschränkt weiterempfehlen. Die historische Altstadt ist traumhaft schön und hinsichtlich Kultur und Leben hat Gent für jeden Geschmack viel zu bieten. Die Kunsthochschule mit ihren gut ausgestatteten Werkstätten, Studios und freundlichen, kompetenten Dozenten hat mein Verständnis von Design durchaus bereichert. Für mich steht fest, dass ich nicht das letzte Mal in Gent gewesen sein werde.
Sonstige Tipps
Alle wichtigen Museen, Plätze etc. sind ja leicht zu googeln, deshalb hier nur eine Handvoll spezifischerer Tipps:
• De Frietketel – hier gibt es die besten Pommes und frittierten Köstlichkeiten (ebenso große Auswahl für Vegetarier) der Stadt.
• Amadeus Gent 2 (Belfort) – Rippchen satt in einem sehr schönen Interieur
• De Hopduvel – Bierfachgeschäft mit riesigem Sortiment
• Ein Besuch der Microbrewery »Brussels Beer Project« in Brüssel
• Der Blaarmeerseen – Ein Badesee mit einem kleinen, aufgeschüttetem Sandstrand
• Das Naturschutzgebiet Bourgoyen-Ossemeersen, perfekt für Ornithologen, Jogger und den Sonntagsspaziergang
• Die Kantine von HEMA am Korenmarkt – hier gibt es recht günstige Speisen, Kuchen und Kaffee, eigentlich nichts Besonderes, aber die Dachterrasse ist ganz nett
• Die gastronomiereiche Straße Oudburg – insbesondere die Pizzeria Nonna Stella, die authentische, italienische Pizza serviert
• ESN Gent – Organisation für alle Erasmus-Studenten, die u. a. Städtereisen, gemeinsame Aktivitäten und Partys anbietet
• gratisingent.be – Website mit einer Vielzahl kostenloser Events
• Genever trinken in ‚t Dreupelkot