Im Stück nehmen Genter Bürger (zum Großteil Laiendarsteller) die Rollen der Personen des berühmten Genter Altars ein und transportieren diese Ikone in die heutige Zeit. Es geht um das große Ganze und was es bedeutet Mensch zu sein. Ich kann wirklich nur empfehlen solche Zusatzangebote wahrzunehmen, denn es war ein toller Austausch, der mir nicht nur dutzende Erkenntnisse und Hoffnungen für ein gerechteres Europa schenkte, sondern vor allem auch neue Freunde.
Ansonsten habe ich den Zeichenkurs, das Masterseminar zum Thema Philosophy of Art – Pathos und meinen Studio-Hauptkurs Graphic Design belegt. Es ist wichtig zu wissen, dass die Studiengänge an der LUCA in visual communication und visual arts aufgeteilt sind. Studiengänge wie Malerei oder Mixed Media beispielsweise werden ganz klar visual arts zugeordnet. Studiengänge wie Graphic Design oder Illustration kann man aber in beiden Bereichen studieren mit jeweils unterschiedlichen Ausrichtungen.
In Kiel studiere ich Kommunikationsdesign mit dem Schwerpunkt Typografie und entschied mich im Graphic Design für den Academic Bachelor anstatt dem Professional Bachelor. Letzterer ist angewandter und vergleichbar mit Konzeption & Entwurf oder dem Projektbüro an der Muthesius. Während des Semesters müssen viele Aufgaben realitätsnah (zum Teil auch mit echten Kunden) bearbeitet werden, neben einer wöchentlichen Speedaufgabe.
Das dritte Jahr ist mit ca. 40 Studenten sehr groß und bietet keine Arbeitsplätze für die Studierenden. Die Erasmusstudierenden aus dem Professional Bachelor haben aber bei Bedarf immer Plätze zum Arbeiten in der Cafeteria gefunden und waren alle zufrieden mit ihrer Studienwahl. Ich hingegen war im dritten Jahr des Academic Bachelors mit 14 Studierenden in einer Klasse. Der krasse Größenunterschied resultiert daraus, dass einige Studierende in den Professional Bachelor wechseln. Vor allem aber schaffen es durch die strenge Notenvergabe nicht immer alle das Semester und wiederholen das Jahr entweder oder brechen sogar das Studium ab. Das klingt erst mal nach ziemlich viel Druck und Konkurrenzdenken zwischen den Studierenden. Sicherlich fordern die Lehrenden einiges von einem, aber ich muss ganz deutlich sagen, dass es in den Konsultationen immer hilfreiche Kritik gab und selbst wenn die Entwürfe stark bemängelt wurden, wurde immer auch gelacht. Auch die Stimmung in der Klasse war gut und die hohen Anforderungen führten eher zu einem stärkeren Zusammenhalt. Das liegt nicht zuletzt daran, dass an den Studiotagen (Dienstag und Donnerstags, offiziell von 8:30 bis 17:30) auf die Anwesenheit und den Austausch unter den Studierenden Wert gelegt wird. Es gibt zwar keine festen Arbeitsplätze, aber Platz genug für jeden. Das Studio des Academic Bachelors / Master Graphic Design zählt sogar zu den schönsten an der LUCA. Es befindet sich im obersten Stockwerk einer umgebauten Kirche mit einem Turnhallenboden aus Linoleum und stellt für mich sinnbildlich die Auffassung der Lehre dort dar: man braucht für das Studium Hingabe und Überzeugung, in gewisser Hinsicht wie für eine Religion. Das wird gleichzeitig aufgelockert durch den Boden, einem Spielfeld, welches den Freiraum und die spielerische Leichtigkeit darstellt, die nötig für gute Gestaltung sind. Es ging immer darum eine eigene Bild- und Formsprache zu finden und nicht wahllos irgendwelche Trends zu kopieren.
Die Dozenten gaben mir auch stets das Gefühl, sie nehmen mich als gleichwertige Gestalterin und Kollegin wahr. Man wurde nicht in eine bestimmte Richtung gelenkt oder der Stil der Dozenten aufgedrückt, sondern es wurde einem geholfen, seine eigene Sprache herauszuschälen. Dieser Ansatz ist viel künstlerischer und unkonventioneller, als ich das aus Kiel kenne. Die Aufgabe im ersten Monat war es vier Plakate für eine wöchentliche Veranstaltungsreihe an der LUCA zu gestalten. Danach wurde ein Erscheinungsbild (CI) erarbeitet und eine Schrift gestaltet. Insgesamt wurde man je nach Aufgabe durch fünf Dozenten betreut, die ich alle sehr schätze. Es war ein sehr intensives und lehrreiches Semester und ich nehme vor allem den Mut mit, auf die eigene Intuition zu vertrauen und Neues zu wagen.
An der LUCA wird generell hohen Wert auf den Zeichenunterricht gelegt. Zeichnen ist für alle Studiengänge und Studienjahre obligatorisch und findet wöchentlich (4h) statt. Als Erasmusstudierender kann man sich das Studienjahr aussuchen, je nachdem wie sicher man sich fühlt. Ich habe mich für das erste Jahr entschieden, weil ich darin kaum Übung habe und mich unsicher fühle. Der Unterricht ist gemischt und findet mit Studierenden aus allen Studiengängen statt. Ich kann das erste Jahr vor allem empfehlen, weil der Unterricht kaum an der LUCA stattfindet und man zeichnend die Stadt erkundet. Wir waren während des Semesters auf der Gravensteen Burg mitten im Genter Zentrum, in der St. Bavo-Kirche, im Naturhistorischen Museum, im Designmuseum, im MIAT (Museum für Industrie, Textil und Arbeit) und einige Male im Botanischen Garten. Letzterer war mein persönlicher Favorit, weil es jedes Mal, besonders im Wintersemester, wie ein Kurzurlaub war und die Anlage wirklich sehenswert ist.
Auch die Betreuung war gut, ich hab meine Abneigung zu zeichnen abgelegt und möchte es noch weiter vertiefen. Im zweiten Jahr wird vom Akt gezeichnet und im dritten Jahr werden die Aufgabenstellungen freier. Außerdem habe ich noch das Philosophy of Art Masterseminar zum Thema Pathos belegt. Es ging um den Pathosbegriff und seinen unterschiedlichen Bedeutungen und Auslegungen. Dazu wurden neben einer praktischen Arbeit, Texte von Bernhard Waldenfels, Nietzsche und Aby Warburg erarbeitet. Das Seminar war sehr gehaltvoll und obwohl ich die Abgabe nicht rechtzeitig geschafft habe und somit keine Credits dafür erhalte, kann ich dennoch auch dieses Seminar empfehlen. Auch im Nachhinein würde ich es nach wie vor wählen, denn letztendlich geht es bei einem Erasmussemester auch darum Neues auszuprobieren und der Input war es allemal wert.
Leider ist das Semester dann doch wie im Flug vergangen und der Abschied fiel schwerer als gedacht. Aber ein Wiedersehen ist bereits für den Sommer fest geplant während der Gentse Feesten, einem zehntägigen Musikfestival in der Genter Innenstadt.
Dank u wel en tot ziens, Ghent! Het was een genoegen.
SONSTIGES
• Registrierung
Man muss sich für die Erasmuszeit nach der Ankunft in Gent registrieren und allgemein schwirrt die Info umher, dass man dafür drei Monate Zeit hat. Allerdings ist das Verfahren unglaublich umständlich. Zunächst soll man sich per E-mail mit seinen Daten voranmelden und bekommt dann nach zwei oder drei Monaten, wenn man beinahe schon wieder weg ist, eine Benachrichtigung, dass ein Polizist die Adresse überprüft und man dann im weiteren zur offiziellen Registrierung eingeladen wird. Das lässt sich alles umgehen, was viele aber nicht oder erst zu spät erfahren. Als Deutscher kommt man aus einem Nachbarland Belgiens und hat daher die Möglichkeit sich innerhalb von 8 Tagen nach Ankunft in Belgien direkt beim Amt zu melden.
• Fahrrad leihen bei der Fietsembassade
In Gent ist alles zu Fuß gut erreichbar, aber dennoch lohnt es sich in Gent ein Fahrrad zu leihen. Das ist ab ca. 35€ für 6 Monate wirklich günstig und da die Fahrräder ziemlich schnell verliehen sind, sollte man sich möglichst schnell darum kümmern.
• Stuvo der LUCA
Es gibt viele Vergünstigungen und Angebote durch die Stuvo. Beispielsweise vier vergünstigte Kinotickets (3€) pro akademisches Jahr in den tollen alten Kinos in Gent. Günstiges Sportangebot (Yoga, Schwimmen, etc.). Zu Semesterbeginn wurde u.a. auch eine kostenlose Bootstour durch die Kanäle organisiert.
• Vegetarierhauptstadt und Kulinarik
Gent ist die offizielle Vegetarierhauptstadt. Hier wurde erstmals der vegetarische Donnerstag eingeführt und nirgendwo sonst gibt es so viele vegetarische Restaurants. Außerdem wurden die Pommes frites in Belgien erfunden. (Traditionell werden sie in Rinderfett gebacken, es gibt für Vegetarier aber Listen mit Frittenbuden, die Pflanzenöl verwenden.) Auch Pralinen und Waffeln wurden hier entwickelt und Belgien hat weltweit die größte Biervielfalt.
• Creative City of Music
Gent ist eine von 5 Städten weltweit die von der UNESCO als Creative City of Music anerkannt wird.
• Museumsnacht im Dezember