Hej København
Schon früh stand für mich fest, dass ich ein Auslandssemester machen möchte, um ein anderes Land kennenzulernen. Da ich ein großer Dänemark/Kopenhagen-Fan bin, war meine erste Wahl ganz klar Kopenhagen. Obwohl der Vertrag der Hochschulen nicht mehr aktuell war, ermutigte mich Maud Zieschang einfach eine Bewerbung zu schicken und zu schauen was passiert. Im April musste das Portfolio dort sein und Ende Juni kam dann die erfreuliche Nachricht, dass ich ab 01. September 5 Monate in Kopenhagen verbringen darf. Ein paar Dinge mussten aber noch erledigt werden, bevor es dort losgeht. Zuerst das 4. Semester zu Ende bringen, mein Zimmer untervermieten und ein Zimmer in Kopenhagen finden, wobei sich letzterer der Punkte als sehr schwer erweisen sollte. An alle mir nachfolgenden Studenten möchte ich an dieser Stelle schon mal darauf hinweisen: Kümmert euch frühzeitig um ein Zimmer!
Wichtig ist alle Freunde zu fragen und diese darum bitten wiederum ihre Freunde zu fragen, Mitglied in den Facebook-Gruppen zu werden und jeden darauf anzusprechen. So etwas wie wg-gesucht.de gibt es nämlich dort leider noch nicht und die meisten Zimmervermittlungsseiten sind kostenpflichtig (abhängig von Portal, ca. 5€ für 3 Probetage, 30€ für einen Monat im Abo). Zum Glück habe ich von einer Freundin erfahren, dass sie im gleichen Semester dort ist und über ihre Uni ein Zimmer im Studentenwohnheim bekommen hat. Bei ihr durfte ich netterweise für fast eine Woche schlafen, bis ich dann etwas gefunden habe. Mein Zimmer habe ich glücklicherweise über die wenigen Angebote auf der Seite der KADK gefunden. Die Vermieterin hat auf meine Mail geantwortet und mich zu einem Gespräch eingeladen. Das Zimmer war mit 10m² nicht gerade groß, für 5 Monate und aufgrund der mangelnden Auswahl in Ordnung. Ich sollte dann mit meiner Vermieterin (Ende 50) und ihrem Sohn (27) zusammenwohnen. Küche und Bad haben wir uns geteilt. In meinem Zimmer hatte ich einen Schreibtisch, einen Schrank und ein Schlafsofa, welches eher weniger komfortabel war. Dafür musste ich 3000 dänische Kronen, umgerechnet ca. 400 €, pro Monat zahlen. Die Wohnung lag in Valby (sprich: Välbü) einem Wohngebiet, in dem viele Familien wohnten, laut visitcopenhagen.com ist Valby „an upcoming residential area“. Eine Bushaltestelle war direkt vor der Tür, die 24/7 angefahren wurde und außerdem der von mir größtenteils benutzte Radweg, auf dem ich täglich zur Hochschule fuhr. Bis zur Hochschule musste ich 9km fahren und ins Stadtzentrum 6km, was für Kopenhagener kein Problem ist. Ich war zwar schon mal mit dem Fahrrad in Kopenhagen, doch noch nie zur Morning Rushhour. Im September war es normal, dass ich mit 50 und mehr anderen Radfahrern an der Ampel stand und auf Grün warte. Man spürt, wie viel Macht man als Radfahrer dort hat.
Hochschule
Nun zur Hochschule, diese liegt auf der Halbinsel Holmen etwas nördlich von dem weltweit bekannten Freistaat Christiania und direkt hinter der Kopenhagener Oper am Meer. Die Hochschule ist erst seit zwei Jahren an diesem Standort, nachdem sich drei Hochschulen zusammenschlossen. Det Kongelige Danske Kunstakademis Skoler
for Arkitektur, Design og Konservering bedeutet die königlich dänische Kunstakademie, Schule für Architektur, Design und Restauration oder kurz einfach nur KADK. Insgesamt hat sie ca. 1800 Studenten. 1000 in den Fachbereichen der Architektur, 200 in den Fächern Restauration und 600 in den Designstudiengängen. Der Campus ist echt wunderschön, in der Mitte ist die Kantine, in der es sehr leckeres Essen gibt, wenn auch für Kieler Verhältnisse sehr teuer. Die Bibliothek ist nicht nur von der KADK, sondern auch von der Filmschule und des Musikkonservatoriums. Sie ist gut sortiert und das Meiste ist natürlich auch auf Englisch zu finden. Die Werkstätten sind für Designstudenten und Architekturstudenten getrennt, wenn man nett fragt, darf man aber auch zu den Architekten, die einen großen Lasercutter (3,50×2,00m) und eine Tiefziehmaschine haben. Leider wurde in diesem Semester kein Kurs für die Austauschstudenten angeboten, doch die Werkstattleiter waren immer hilfreich. Jeder der Designstudenten hat einen eigenen Tisch in einem Gebäude, in welchem früher U-Boote gebaut wurden. Die Studenten im Fachbereich Visual Communication und Fashion Design sitzen unten, Game und Production Designer im ersten OG und die Industrial Designer und Codesign Master im obersten Stockwerk, wo sich auch zwei wunderschöne Sonnenterrassen befinden, die zum Pausemachen einladen.
Studium
Alle Austauschstudenten waren ein paar Tage vor dem offiziellen Start eingeladen und wir haben allgemeine Infos bekommen, wo wir was finden und wann es wie losgeht. Unsere Studentenausweise haben wir etwas später auch noch erhalten. Das Studium im Designbereich ist in zwei Blöcke aufgeteilt, wobei der erste Block sechs Wochen lang ist und der Zweite zehn. Der erste Block ist interdisziplinär und es geht um Design Theorie und in meinem Fall auch noch mit einem Schwerpunkt auf Gruppenarbeit. Wir hatten Montag und Dienstag immer Vorlesungen und Übungen, freitags dann eine Präsentation im Pecha Kucha Format. Am Anfang haben wir schon einen Plan bekommen, in dem relativ detailliert die Aufgaben der Wochen geschildert wurden. Meine Gruppe bestand aus sechs Studenten zwei Fashion Designerinnen, einer Production Designerin, einem Erasmus Student aus Zürich aus dem Game Design Programm und zwei Industriedesignern (mich eingerechnet). Nach den sechs Wochen hatten wir eine Woche Herbstferien und dann ging der zweite Block im eigenen Fachbereich los. Wir waren insgesamt 15 Studenten im Semester, zusätzlich zu mir war noch eine Austauschstudentin aus Schwäbisch Gmünd dabei. Unser Projekt wurde begleitet durch den Hauptprofessor im Industriedesign und Designern aus einem Designbüro. Da es sich nur um ein vierwöchiges Projekt handelte, haben wir die Themenbereiche vorgegeben bekommen, um möglichst direkt in die Fragestellung einzutauchen. Dieses Projekt war auch eine Gruppenarbeit, wobei am Ende jeder einen eigenen Lösungsvorschlag präsentieren musste. Das nächste Projekt im Anschluss startete mit einem dreitägigen Workshop, wobei der Professor wieder durch verschiedene Dozenten unterstützt wurde, die beim Zeichnen und Konstruieren, Umgang mit Premiere und thematisch weiterhalfen. Präsentiert wurde auch wieder jeden Freitag. Die Anforderungen waren, ein Funktionsmodell zu bauen und einen Film zu machen. Etwas schwierig stellte sich der Modellbau heraus. Ich wollte zum Beispiel meine Teile 3D drucken lassen, doch an der Hochschule gab es zu dem Zeitpunkt keinen funktionsfähigen 3D-Drucker, wodurch ich gezwungen war, die Teile bei einem Unternehmen zu bestellen, was für die gegebene Qualität sehr überteuert war. Vor Weihnachten mussten wir dann einen schriftlichen Report abgeben und für jedes Projekt ein Arbeitsbuch mit Kommentaren, Skizzen und Fotos. Nach der kurzen freien Zeit über Weihnachten hatten wir noch eine Woche das Projekt abzuschließen, bevor es in die Examen-Phase ging. Innerhalb von vier Wochen finden an der gesamten Hochschule die Examen statt. Das Examen ist in drei Teile geteilt. Man hat zehn Minuten Zeit die Projekte aus dem zweiten Block vorzustellen, danach wird man vom Professor und einem nicht direkt involvierten Prüfer befragt und darf sich dazu äußern. Als Letztes beraten die beiden sich und entscheiden sich für eine Note und geben einem dann noch mal Feedback, währenddessen man sich nicht mehr zu Wort melden darf. Mit dem Examen ist dann das Semester offiziell beendet.
Stadt, Land, Leben
Da ich schon früher oft in Kopenhagen war, kannte ich schon viele Hotspots in der Stadt, als Student und Anwohner lernt man die Stadt aber noch mal viel besser kennen. Insgesamt sind die Kopenhagener und Dänen sehr freundlich und man kommt schnell mit ihnen ins Gespräch, schneller geht es noch beim Feiern, was die Dänen sehr gerne tun. In der Uni nennt sich das dann Freitagsbar. Etwa jeden zweiten Freitag gab es die sogenannte Freitagsbar. Manchmal etwas besser geplant in der Mensa, oder als es noch schön war auf der Wiese vor der Mensa oder auch im Arbeitsbereich. Bei den Freitagsbars konnte man auch öfters die Professoren treffen und ganz normal mit ihnen reden.
In Kopenhagen findet man wunderschöne Cafés, mein Lieblingscafé ist eindeutig das Next Door Cafe in der Larsbjørnstræde, dort herrscht fast immer entspannte Atmosphäre, es wird gute Musik gespielt und man kommt mit den Baristas ins Gespräch. Da in Kopenhagen viele Ausländer wohnen, hört man sehr oft Englisch und jeder Däne kann einem auf Englisch weiterhelfen, bei älteren Menschen kann man es auch auf Deutsch versuchen. Während des Aufenthalts habe ich einen Dänisch Sprachkurs gemacht, den jeder Ausländer kostenlos besuchen kann, wenn er eine CPR-Nummer hat. Die CPR-Nummer ist eine Personennummer, die jeder mit Wohnsitz in Dänemark braucht. Außerdem bekommt man automatisch einen Hausarzt zugewiesen, der in der Nähe seine Praxis hat. Zusätzlich lassen sich mit der Karte in jeder öffentlichen Bibliothek in Kopenhagen Bücher ausleihen. Der Sprachkurs fand an der Hochschule statt, man kann aber auch jedes andere Angebot nutzen. Wenn man deutsch spricht, ist die Dänische Grammatik nicht so schwer, da sich der Satzbau oft ähnelt und man den Sinn der Wörter auch oft erkennen kann. Wirklich schwierig ist die Aussprache und die Dänen zu verstehen.
In Kopenhagen spielt Design natürlich eine große Rolle, es gibt viele Büros und Geschäfte und Museen. Ein Ort, den ich immer wieder aufgesucht habe, ist das Illum Bolighus ein Einrichtungshaus, in dem man Möbel, Leuchten, Porzellan und andere teure „Designobjekte“ kaufen kann.
Mit dem Studentenausweis der KADK kam ich in jedes Museum, das ich besichtigen wollte, hauptsächlich Kunstmuseen. Deshalb war ich mit einigen Erasmusstudenten mehrmals im Louisiana, einem der schönsten Museen der Welt. Von dort kann man bei gutem Wetter rüber nach Schweden schauen und im Skulpturenpark entspannen. Das Louisiana liegt etwas nördlich von Kopenhagen und von dort kann man auch noch Helsingør anschauen. Im Designmuseum nur fünf Minuten vom Kongens Nytorv entfernt kann man auch oft sehr gute Ausstellungen besuchen, im Klint Café einen Kaffee trinken oder in der Bibliothek sich durch Designbücher wälzen. Eines der Museumshighlights ist aber donnerstagabends in der Carlsberg Glyptothek, bis 22 Uhr kann man sich in den überdachten Innenhof setzenm, Zeichnen oder einfach die Ruhe im Grünen zwischen Palmen genießen.
Am Wochenende ist für viele Kopenhagener und auch Touristen Zeit sich im Meatpacking District die Nacht um die Ohren zu schlagen. Dort gibt es viele Bars, Clubs und Restaurants. Tagsüber lassen sich die Galerien besuchen und die ansässigen Designbüros anschauen.
Mit den anderen Erasmusstudenten habe ich oft Abendessen gekocht und wir haben von den dänischen Kommilitonen die Weihnachtsbräuche lernen dürfen. Wie zum Beispiel der offizielle Beginn der Weihnachtszeit mit speziellem Weihnachtsbier, Julebrygg genannt oder typischen Weihnachtsfeiern, dem Julefrokost (direkt übersetzt: Weihnachtsmittagessen).
Ich hatte auf jeden Fall eine supertolle Zeit in Kopenhagen, habe viele Freunde gefunden, sowohl Kopenhagener als auch die anderen Erasmusstudenten, die in ganz Europa verteilt sind. Ich freue mich jetzt schon auf den nächsten Besuch in Kopenhagen.
Vi ses København! (Wir sehen uns, Kopenhagen!)