Ein Semester in Lissabon. Fünf Monate einmal ganz woanders studieren und leben.
Fremde Sprache, fremde Kultur. Ganz schön spannend fand ich und war zunächst unsicher, besonders weil sich meine portugisischen Sprachkenntnisse sehr in Grenzen hielten und ich nun in Portugal auf Portugiesisch unterrichtet werden sollte. Doch kurz bevor es losging war die Aufregen, wahrscheinlich durch das ablenkende Packen und der Reiseorganisationen, vergessen.
Eine Wohnung hatte ich mir schon zuvor im Internet gesucht. Also steuerte ich mit meinem Stadtplan ihn der Hand direkt nach Ankunft in Lissabon, vom Flughafen zur Metro und schließlich auf mein neues Zuhause für das nächste halbe Jahr zu.
Ich hatte Glück, denn die von mir nur anhand der Lage und der Fotos im Internet ausgewählte Wohnung war perfekt!
Ich lebte sehr zentral, den Fluss Tejo in Sichtweite mitten im Bar-und Restaurant- Viertel Bairro Alto. Meine Hochschule konnte ich von dort aus innerhalb von fünf Minuten zu Fuß erreichen, wie gesagt perfekt.
Die Faculdade de belas artes liegt im Stadtteil Baixa-Chiado und ist die ausgelagerte Kunst Fakultät der Universität Lissabon.
Das System für Erasmusstudenten dort ist großartig. Nach einer Begrüßungs- und Informationsveranstaltung, hatten wir zwei Wochen Zeit um ALLE Kurse aus allen Studiengängen die uns interessant erschienen, zu besuchen und uns anschließend die passenden auszusuchen.
Ich nutze diese Gelegenheit um auch einmal in andere Bereiche der kreativen Arbeit hinein zu schnuppern.
Es stellte sich heraus, dass all meine Bedenken bezüglich der Sprache unbegründet waren, denn trotzdem alle Kurse auf Portugiesisch stattfanden, sprachen alle Dozenten und Studenten ein sehr gutes Englisch und waren stets hilfsbereit und übersetzten bei Verständnisproblemen.
Lissabon ist eine wunderschöne Stadt, gelegen an der Mündung des Flusses Tejo in den Atlantischen Ozean. Mit vielen Aussichtspunkten den Miradouros von denen aus man einen fantastischen Blick über die Stadt oder den Fluss hat. Man findet alte Stadtteile mit bunt gekachelten Häusern und engen Kopfsteinpflasterstraßen aber auch moderne Architektur wie im Parque das Nações (ehemaliges Expo-Gelände) zusehen, sowie viele Museen und historische Sehenswürdigkeiten.
In meiner Freizeit in Lissabon erkundete ich die Stadt und genoss den Blick und die Sonne bei einem guten Kaffee, der dort nicht nur günstiger ist, sondern auch besser schmeckt als bei uns.
Ein halbes Jahr dort bietet auch genug Zeit, um sich aus der Hauptstadt heraus zu wagen und sich andere Orte in Portugal anzusehen. Das tat ich dann auch und fand sehr unterschiedliche Landschafts- und Stadtbilder vor. Jede Region hat ihren eigenen Charme.
Mit öffentlichen Verkehrsmitteln machte ich mich auf den Weg oder mietete, mit meinen neu gewonnen Freunden, ein Auto und manchmal nutzte ich auch Angebote von einer der vielen Erasmusorganisationen.
Ist man nämlich Erasmusstudent in Lissabon, hat man die Qual der Wahl zwischen mindestens drei Organisationen die dich umwerben, damit du dich Ihnen anschließt, indem du für ca 10 Euro Ihre Mitgliedskarte kaufst.
Dafür organisieren sie Ausflüge, Partys und andere gesellige Veranstaltungen, an denen Mitglieder dann meistens kostenlos teilnehmen können. Natürlich ist es auch möglich sich aus allen das Beste heraus zu picken, wenn man das möchte.
Da ich mitten im Bairro Alto wohnte, war ich nahe am Puls des Nachtlebens, wobei ich das Glück hatte, dass meine WG in einer ruhigen Straße lag, sodass gut schlafen konnte ich wenn ich am nächsten Tag früh zur Uni musste.
Wollte ich aber die Nacht zum Tag machen, brauchte ich nur wenige Meter zu gehen um im Trubel des Nachtlebens zu sein.
Apropos Nacht und Tag: Die Uhren ticken in Portugal anders. Daran musste ich mich als Nordlicht erst gewöhnen. Zunächst hatte ich den Eindruck die Menschen um mich herum bewegen sich langsamer und war gestresst, wenn sich jemand vor mir „im Schneckentempo“ bewegte und ich nicht vorbei kam. Typisch deutsch, wollte ich alles möglichst schnell und effektiv erledigen. Nun würde ich sagen… dort wird mehr genossen und weniger gehetzt. Ich habe zum Beispiel nie jemanden im Gehen (z.B. auf dem Weg zur Arbeit) essen oder einen Kaffee trinken sehen. Eher wird morgens an der Theke einer Pasteleria ein Kaffee (Espresso) getrunken.
Diese innere portugiesische Ruhe führte auch dazu, mich daran zu gewöhnen 40 Minuten an der Supermarktkasse anzustehen.
An meinem ersten Tag in der Uni stand ich überpünktlich 5 Minuten vor Unterrichtsbeginn vor der verschlossenen Tür des Raumes, in dem mein Kurs um 8 Uhr stattfinden sollte. Alleine. Eine viertel Stunde später trudelten die ersten anderen Erasmusstudenten ein, 20 Minuten später nach und nach der Rest. Um halb neun begann das Seminar. Daraus lernte ich. Allerdings gilt das nicht für alle Veranstaltungen. Die meisten begannen mehr oder weniger pünktlich und ich hörte sogar von einer Vorlesung (an einer anderen Uni), in die man 5 Minuten nach Beginn nicht mehr „ hineinschlüpfen“ durfte. Also täte ich den Portugiesen Unrecht, wenn ich schriebe, dass alle unpünktlich seien, doch Pünktlichkeit hat dort lange nicht den gleichen Stellenwert wie hier bei uns. So bürgerte es sich ein, dass wir Studenten bei Verabredungen fragten:“ Um (z. B.) 8 Uhr nach portugiesischer oder (in meinem Fall) deutscher Zeit?“ Ich merke jedenfalls, dass ich selbst jetzt, zurück in Deutschland, weniger gestresst auf Wartesituationen wie zum Beispiel Staus reagiere. Lissabon und Portugal überhaupt, ist auf jeden Fall eine Reise wert, auch wenn man sich nicht für ein Erasmussemester dort entschließt, was ich jedoch jedem, der die Möglichkeit hat, nur empfehlen kann! Ich werde ohne Zweifel wieder dorthin fliegen und das am liebsten so bald wie möglich, denn die Trennung von Land und Leuten fiel mir schwer.