Ohne Wohnung und ohne viel Plan in Budapest.
Die Wohnungssuche von Deutschland aus, hatte sich doch als etwas schwieriger herausgestellt, als erwartet. Vor Ort war es dann aber wirklich ein Leichtes, ein schönes Zimmer zu finden (Fb: „International Students 911“ – kann ich sehr empfehlen!) In Budapest läuft wirklich alles über Facebook. Egal ob man eine Wohnung, ein Fahrrad, Wäscheklammern, oder eine Mitfahrgelegenheit sucht – es gibt immer eine Facebook-Gruppe!
Auch über die Uni hatte ich mir nicht allzuviel Gedanken gemacht. Metropolitan? Noch nie gehört, auch die Webseite sah so mäßig spannend aus. Naja wird schon passen, dachte ich.
Tatsächlich bietet die Metropolitan University von Wirtschaft bis Design eine große Bandbreite an unterschiedlichen Studiengängen an, die jeweils an drei unterschiedlichen Adressen stattfinden. Der Graphic Design Campus befindet sich in der Rósza Utca, was übersetzt so viel bedeutet wie Rosa Straße (wenn das mal kein Zufall war…). Zum Glück konnte ich nach der ersten Woche fast meinen gesamten Stundenplan umwählen und so sehr frei aus den
unterschiedlichsten Graphic Design Kursen wählen. Am Ende hatte ich dann doch einen recht wilden Mix aus Buchgestaltung, Fotografie, Programmierung, Aktzeichnen, verschiedenen Drucktechniken und experimenteller Typographie. Also nochmal schön bunt durcheinander bevor es dann langsam etwas spezifischer Richtung Bachelor geht.
Diese Freiheit war wirklich ein Pluspunkt. Leider muss ich sagen, dass mich die fachliche Unterstützung von Seiten der Dozenten, bis auf ein paar wenige Ausnahmen natürlich, doch etwas enttäuscht hat. Eigenverantwortliches Arbeiten nach mehr oder weniger eigenen Prioritäten und Zielsetzungen war also gefragt. Des weiteren hat sich leider herausgestellt, dass alle internationalen Studiengänge auch auf ungarisch angeboten werden. Das heißt, dass es leider im Unialltag nicht allzuviel Berührungspunkte mit den ungarischen Studenten gab.
Budapest als Stadt hat mir von Anfang an wirklich gut gefallen. Es gibt eine unglaublich große Bar- und Cafészene. (Kleine Empfehlungen am Rande: Das Massolit, das Zsivago und das Kelet Café laden perfekt zu einem gemütlich Kaffee und/ oder auch entspannter Arbeitsatmosphäre ein. Das Dzzs!, Aurora, Golya, Lampás und das Kék Ló gehören zu meinen absoluten Lieblingsbars, die oftmals mit guter Livemusik und alternativen Ambiente auf ein paar BierEE einladen). Das Stadtbild ist auf der einen Seite mit seiner Jugendstilarchitektur ziemlich imposant, mancher Orts aber auch ziemlich heruntergekommen und vor allem Richtung Stadtgrenze wandelt sich die Architektur immer mehr zum Plattenbau.
Das bewegen in Blasen und der ständige Versuch des Perspektivwechsels zieht sich durch meine gesamten Eindrücke von Budapest. Budapest als pompöse Stadt, die Macht und Reichtum ausstrahlen will, hinter der Fassade aber absolut renovierungsbedürftig ist. Die heile Erasmuswelt als Blase in einem doch recht zerrütteten Bildungssystem, welches mehr den privilegierten UngarInnen vorbehalten ist. Meine deutsche Auslandskrankenversicherung im Vergleich zum korrupten ungarischen Gesundheitssystem, traumhafte Thermal Bäder die neben so viel Armut und einem ungarischen Mindestlohn von 3,95 Euro zu purem Wellness einladen, das allgemeine Coexistieren von UngarInnen und internationalen Studierenden, die staatlich betriebene Meinungspropaganda, die eigene Gewohnheitsblase und und und…
Nach meiner sehr intensiven Zeit in Budapest, habe ich einen neuen Blick auf Europa, Deutschland und natürlich Ungarn bekommen und Budapest als Komplettpaket, auf andere Art und Weise als anfänglich erwartet, absolut liebengelernt. Ich kann nur jedem empfehlen sich mal in das Spannungsfeld zwischen Ost- und Westeuropa zu begeben (indem Budapest natürlich einen absoluten Knotenpunkt bildet). Gerade in Zeiten des Umbruches ist es meiner Meinung nach absolut wichtig, sich umfassend in die Situation einzufühlen, um anschließend Position beziehen zu können.