Einmal im Studium wollte ich eine Zeitlang im Ausland leben. Im vierten Semester sollte es nun so weit sein, ich wollte mein fünftes Semester in einem anderen Land verbringen. Ich hatte einen Plan worauf ich mich im Studium konzentrieren will und suchte dementsprechend nach einer passenden Partneruniversität. Die Wahl fiel auf die Sint-Lucas Hoogeschool voor Beeldende Kunst Gent in Belgien. Ich hatte zwar noch nie von Gent gehört oder war jemals in Belgien, aber ich war neugierig. Im Internet informierte ich mich über die Stadt, die Universität, die Professoren und war begeistert.
Die Zusage kam relativ schnell und so konnte ich im Winter nach einem Zimmer suchen. Ich wollte nicht in einem Studentenwohnheim oder alleine wohnen. Und suchte deshalb auf Internetseiten für Studentenwohnungen/-zimmern. Ich schrieb viele Menschen an, aber bekam selten eine Antwort. Über die Koordinatorin der Gasthochschule bekamen wir, die neuen Erasmus-Studenten, auch einige Kontakte.
Letztendlich habe ich dann ein Zimmer in einer WG über die Erasmus-Facebook-Gruppe gefunden. Es lohnt sich auf jeden Fall dort nachzusehen.
Von den anderen Gaststudenten, gab es einige die noch keine Unterkunft hatten , als sie nach Gent kamen. Aber auch da hat die Uni sie unterstützt und sie haben noch in der ersten Woche eine Bleibe gefunden.
Ende Januar ging es dann mit dem Zug nach Gent. Die erste Woche war eine Einführungswoche für die Gaststudenten. Wir hatten Informationsveranstaltungen, Museumsbesuche, ein Seminar über belgische Kunst und eine Universitäts- und Stadtführung. Alles wurde von der Uni organisiert und so konnten wir uns und die Stadt kennen lernen. Ein guter Start in das neue Semester.
Ich wollte mich dieses Semester nur der Illustration widmen und war nun also im Illustrations-Studio. In Belgien gibt es kein KoDe, dort studiert man entweder Illustration oder Grafik Design. In der Kunst gibt es noch ein Mixed Media Studio und man kann unter Anderem auch Sculpture oder Glass studieren.
Wir hatten einige Tage zeit, um unseren Stundenplan zusammen zustellen und die verschiedenen Kurse auszuprobieren. Zweimal in der Woche war Studiotag, an denen war man den ganzen Tag in seinem Atelier und auch die Professoren waren anwesend. An den restlichen Tagen konnte man Seminare, Vorlesungen und Drawing Classes besuchen. Wir durften auch die Masterseminare belegen, weil diese in englisch gehalten wurden. In den Drawing Classes wurde nach Aktmodell oder Gegenständen gezeichnet. An der Sint-Lucas wird viel Wert auf das Zeichnen gelegt, die Drawing Classes sind für jeden Studenten Pflicht und es wird von Jahr zu Jahr anspruchsvoller.
So kann der Tag schon mal von 8:30 bis 18:00 Uhr gehen. Von anderen Gaststudenten, die bereits ein Semester abgeschlossen hatten und ein weiteres verbringen wollten, wurde uns gesagt, dass es doch sehr anstrengend werden kann, wenn man an vielen viele Veranstaltungen teilnehmen möchte. Da ich auch den niederländischen Sprachkurs (zweimal wöchentlich) machen wollte, beantragte ich bei der Muthesius ein Urlaubssemester. So konnte ich nun entspannter an mein Studium gehen.
Die Sint-Lucas Universität besteht aus zwei alten Gebäuden mit großen hellen Räumen. Es gibt viele Werkstätten und Studios. Und sie ist ungefähr genauso groß, wie die Muthesius.
Ich kam in das zweite Jahr Illustration. Wir waren zu neunt und drei davon Erasmusstudenten. Wir hatten ein sehr großes Atelier, jeder hatte seinen eigenen Arbeitsplatz mit einem großen Schreibtisch und einem Schließfach. Wir konnten unseren Platz einrichten und dort praktisch jeden Tag arbeiten, bis die Schule geschlossen wurde. Zweimal in der Woche kam dann auch die Professorin, um mit uns die Aufgaben zu besprechen und um uns Feedback zu unseren Arbeiten zu geben.
Die Professorin war sehr nett, hat sich viel Zeit genommen und wir hatten in diesem Semester sehr spannende Aufgaben. Zum Beispiel Kooperationen mit dem Genter Stadttheater, mit Museen, anderen Kunsthochschulen und auch mit Studenten aus Antwerpen.
Am Ende jedes Jahres gibt es eine Jury, vor der alle Studenten ihre Arbeiten ordentlich präsentieren müssen. Eine Gruppe aus Professoren und eingeladenen Künstlern bewertet dann die Arbeiten und vergibt Noten.
Generell ist das Studium anspruchsvoller, die Professoren sind strenger in der Bewertung und wenn man nicht gut genug ist , kann man von der Uni fliegen.
Das macht sich natürlich bemerkbar. Die Studenten sind fleißig, es herrscht eine gute Arbeitsatmosphäre und es entstehen tolle Arbeiten.
Ich habe mich in meinem Studio sehr wohl gefühlt, es hat Spaß gemacht und ich habe viel dazu gelernt.
Von den anderen Erasmusstudenten waren einige nicht so zufrieden mit ihren Studios. Die Professoren und Arbeitsweisen der Studios unterscheiden sich doch sehr.
Man hatte schnell Kontakt zu den Studenten aus seinem Atelier, aber auch zu den aus den anderen Studios. Alle waren sehr offen und haben uns gut aufgenommen.
Natürlich hatte man den engsten Kontakt zu den anderen Erasmusstudenten, wir haben viel gemacht, sind öfter ausgegangen oder haben uns zum Kochen getroffen. Aber ich habe auch viele Belgier kennen gelernt.
Gent ist eine Studentenstadt, nicht größer als Kiel. Aber es passiert sehr viel. Die Studenten organisieren selbst Ausstellungen und Partys. Es ist immer was los, man kann sich sehr viel ansehen, es gibt viele Museen und viele Möglichkeiten zum Ausgehen. Mit dem Fahrrad ist man schnell unterwegs und alles ist gut zu erreichen. Im Sommer sitzen die Menschen lange draußen am Wasser oder auf Terrassen.
Ich habe meine Zeit in den tollen Bars und schönen Cafés verbracht. Wenn man in Belgien ist, muss man natürlich auch Bier trinken.
Die angrenzenden großen Städte Brüssel und Antwerpen sind nicht einmal eine Stunde von Gent entfernt. Und der Strand ist auch nicht weit weg.
Die Stadt Gent ist, unter den Belgiern, als kleine gemütliche Stadt bekannt, was ich nur bestätigen kann. Ich habe den Eindruck, dass alle Menschen zufrieden sind und es keine Hektik oder Stress gibt. Man kann sich einfach treiben lassen. Durch die vielen Besucher und Studenten wirkt die Stadt aber gleichzeitig wie eine Großstadt.
Allgemein ist Gent sehr international, es gibt mehrere Universitäten bzw. Hochschulen und somit viele Studenten aus Belgien aber auch aus dem Ausland.
Gent liegt im Norden im flämischen Teil Belgiens und es wird dort Flämisch/Niederländisch gesprochen. In Brüssel und im Süden Belgiens ist Französisch die Amtssprache. Dennoch können die Belgier von Jung bis Alt sehr gut englisch. Man kommt also auch gut zurecht, ohne niederländisch zu sprechen.
Für mich ist es eine sehr schöne und erfahrungsreiche Zeit gewesen. Ich habe das Land, die Stadt und die Leute als sehr offen und freundlich kennen gelernt. Hatte eine produktive und schöne Zeit an der Uni, was mich in meinem Studium voran gebracht hat. Und habe mich an der Sint-Lucas als Gaststudent sehr aufgehoben gefühlt.
Ich habe neue Menschen aus unterschiedlichsten Ländern kennen gelernt, konnte mein englisch verbessern und sogar ein wenig Niederländisch lernen.